ISSN 1613-8856

Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels

Konflikte mit Eltern und Partnerschaft

2025 | Jahrgang 22 | 3. Quartal

Keywords: Gemischte Ehen, Generationsübergreifende Bindungen, Konflikte, Partnerwahl

Wissenschaftliche Ansprechpartnerin: Annegret Gawron

Immer mehr Menschen migrieren, sind mobiler und leben zunehmend digital. Diese Entwicklungen führen in Europa dazu, dass interethnische Partnerschaften zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund immer häufiger werden. Aus Sicht der Assimilationstheorie gelten solche Partnerschaften als positiv, da hohe Raten interethnischer Beziehungen innerhalb der Migrantengruppe auf abnehmende soziale Distanz zur Mehrheitsgesellschaft hinweisen. Zudem können sie soziale Kohäsion fördern, indem sie Verbindungen und gegenseitiges Verständnis zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft stärken sowie Vorurteile und Konflikte abbauen. Dennoch zeigt die Forschung, dass Personen in interethnischen Beziehungen häufiger Trennungen erleben, stärkeren psychischen Belastungen ausgesetzt sind und insgesamt von einer geringeren Lebenszufriedenheit berichten. Eine mangelnde Akzeptanz der Partnerschaften durch das soziale Umfeld, etwa durch die Herkunftsfamilie, wird als mögliche Ursache für diese Herausforderungen angenommen. Die konkreten Auswirkungen auf familiäre Beziehungen sind bisher jedoch nur unzureichend empirisch erforscht. 

Vergleich der Konflikte mit Vätern

Abb.1: Konflikte mit Vätern nach Partnerschaftstyp, Partnerschaftsphasen, Migrantengeneration und Herkunft. Negative Werte zeigen an, dass es weniger Konflikte als in endogamen Beziehungen gibt, während positive Werte mehr Konflikte signalisieren. NEL = Nichteheliches Zusammenleben. Quelle: pairfam, eigene Berechnungen

Um zur Schließung dieser Forschungslücke beizutragen, hat Annegret Gawron von der Universität Rostock für den deutschen Kontext analysiert, ob Personen mit Migrationshintergrund in interethnischen Partnerschaften im Vergleich zu endogamen Partnerschaften mit Partner*innen aus dem gleichen Herkunftsland mehr Konflikte mit ihren Eltern erleben. Die Fragestellung erweist sich aus verschiedenen Gründen als komplex: Erstens können erhöhte Konflikte in interethnischen Partnerschaften nicht nur aus der Partnerwahl selbst, sondern auch aus Selektionsprozessen in die Beziehung resultieren. Studien zeigen, dass die Beziehung zu den Eltern die Entscheidung für eine interethnische Partnerschaft beeinflussen kann. Ein starkes Gefühl familiärer Verpflichtung ist beispielsweise eher mit endogamer als mit interethnischer Partnerwahl verbunden. Zweitens können interethnische Partnerschaften zwar Konflikte verursachen, doch dieser Effekt kann im Verlauf abnehmen und Übergänge in Partnerschaftsphasen wie nichteheliches Zusammenleben (NEL) oder Ehe begünstigen. Daher sollte der Zusammenhang zwischen Konflikten und Partnerschaftstyp im Partnerschaftsverlauf betrachtet werden. Drittens variiert der Einfluss der Partnerschaft auf elterliche Konflikte möglicherweise nach Migrantengeneration und Herkunft: Die Eltern der zweiten Generation leben eher in Deutschland und haben vermutlich mehr Kontakt zu den Partner*innen ihrer Kinder als Eltern der ersten Generation, die noch vermehrt im Herkunftsland leben können. Zudem sind familiäre Solidaritätswerte in nicht europäischen Migrantengruppen oft stärker ausgeprägt. In Verbindung mit der größeren sozialen Distanz zwischen Nicht-Europäer*innen und Europäer*innen sowie der wahrgenommenen stärkeren kulturellen und sozioökonomischen Ähnlichkeit unter Europäer*innen könnten interethnische Partnerschaften vor allem in nicht europäischen Migrantenfamilien konfliktanfälliger sein. 

Für ihre Studie nutzte die Forscherin Daten des Deutschen Beziehungs- und Familienpanels pairfam. Konflikte mit Müttern und Vätern hat sie getrennt analysiert, wobei höhere Werte ein stärkeres Konfliktpotenzial anzeigen. Um die Komplexität des Zusammenhangs zu berücksichtigen, hat sie nach Herkunftsregion und Migrantengeneration differenziert. Außerdem hat sie verschiedene Partnerschaftsphasen untersucht – vom Single-Status über die Dating-Phase und NEL bis hin zur Ehe. Die Daten zeigen, dass bereits in der Single-Phase Unterschiede bestehen: Personen mit höheren elterlichen Konfliktwerten gehen häufiger interethnische als endogame Partnerschaften ein. Blickt man auf den Beziehungsverlauf, verdeutlichen die Ergebnisse, dass interethnische Partnerschaften im Vergleich zu endogamen elterliche Konflikte verstärken können – insbesondere bei Migrant*innen der zweiten Generation aus nicht europäischen Herkunftsländern führen sie zu mehr Konflikten mit Vätern (siehe Abb. 1). Dabei steigen die Konflikte mit den Vätern vor allem in der NEL-Phase und in der Ehe – also genau dann, wenn der Institutionalisierungsgrad der Beziehung zunimmt und die Partner*innen stärker in die Herkunftsfamilie eingebunden werden. Somit zeigt sich, dass interethnische Partnerschaften keineswegs per se Harmonie implizieren oder fördern. Neben dem Institutionalisierungsgrad der Beziehung variiert ihre Wirkung je nach Migrantengeneration und Herkunftsregion. Die Forscherin betont, dass es wichtig sei, weitere Studien zu interethnischen Partnerschaften aus einer Lebensverlaufsperspektive durchzuführen, um die Auswirkungen dieser Partnerschaften und deren Zusammenhang mit Assimilationsprozessen besser zu verstehen. 

Literatur

  • Gawron, A.: Migrant family ties and mixed unions: the impact of selecting native partners on conflicts with parents. Journal of Ethnic and Migration Studies [First published online: 24 March 2025].
    DOI: 10.1080/1369183X.2025.2481988

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Aus Ausgabe 2025/3

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