Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird die religiöse Landschaft der USA von der Gemeinschaft der Protestanten dominiert, die derzeit 47 Prozent der Gesamtbevölkerung stellt. Die Studie, ein Gemeinschaftsprojekt des Vienna Institute of Demography, des International Institute for Applied Systems Analysis Laxenburg und der Universität London, greift auf vier kombinierte US-Sozialumfragen von 2000 bis 2006 zurück. Demnach lassen sich bei den Protestanten vier hauptsächliche Untergruppen nach Religiosität und ethnischer Zugehörigkeit unterscheiden: die Fundamentalisten (41%), die Gemäßigten (19%), die Liberalen (19%) und die Schwarzen (21%). Die Gruppe der Katholiken, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung 28 Prozent beträgt, setzt sich zu einem Drittel aus Hispano-Amerikanern und zu zwei Dritteln aus Menschen anderer Herkunft zusammen. Die Gruppe ohne religiöses Bekenntnis macht 17 Prozent der Bevölkerung der USA aus. Unter anderen Religionen (8%) finden sich sowohl Juden als auch Hindus und Buddhisten sowie Muslime und sonstige Religionen.
Die Entwicklung der religiösen Landschaft der USA wird vor allem durch drei Faktoren beeinflusst: Fertilität, Migration und Säkularisation.
* Im Jahr 2003 hatten Muslime und Hispano-Katholiken mit je 2,8 Kindern pro Frau die höchsten Fertilitätsziffern (Gesamtgeburtenziffer/TFR). Auch Schwarze und fundamentalistische Protestanten sowie nicht-hispanische Katholiken hatten eine leicht höhere Fruchtbarkeit als der Landesdurchschnitt, der 2,08 beträgt. Andere Gruppen wiesen eine niedrigere Fertilität auf; dies traf vor allem auf Jüdinnen (1,4) und Frauen ohne religiöses Bekenntnis (1,7) zu.
* Die Hispano-Katholiken sind die am schnellsten wachsende ethno-religiöse Gruppe, denn 35 Prozent aller Einwanderer kommen aus Lateinamerika. Insgesamt sind US-Einwanderer zu 45 Prozent Katholiken und zu weniger als zehn Prozent Protestanten. Der Anteil der Nichtreligiösen ist in der Einwandererpopulation etwa so hoch wie in der amerikanischen Bevölkerung.
* Die Mitgliederzahlen der meisten Religionen gehen beträchtlich zurück, da es eine Tendenz zur Konfessionslosigkeit gibt. Ausnahmen sind Juden, schwarze Protestanten, Muslime und Hispano-Katholiken, deren Mitglieder relativ stark in den Gemeinschaften verankert sind. Fundamentalistische Protestanten hingegen verzeichnen erhebliche Gewinne, die zu Lasten der Mainstream-Protestanten sowie der weißen Katholiken gehen.
Abb. 1: Projizierte Anteile an der Gesamtbevölkerung der USA für 11 ethno-religiöse Kategorien bis zum Jahr 2043 (Szenario: konstante Entwicklung).
Die Projektionen für die künftige Entwicklung der Religionsgemeinschaften basieren auf unterschiedlichen Szenarien. Die in den Abbildungen 1 und 2 dargestellten Projektionen basieren auf der Annahme, dass sich die Fertilitäts- und Migrationstrends im heutigen Tempo weiterverändern. Demnach würde es im Jahr 2043 in den USA etwa 35 Millionen mehr Katholiken geben. Das bedeutet, dass von 2003 bis 2043 der Anteil der Hispano-Katholiken von 8 auf 18 Prozent stiege. Falls sich deren Fertilität eher dem etwas niedrigeren US-Durchschnitt angleicht, würde sich der Anteil der Hispano-Katholiken jedoch immer noch verdoppeln. Selbst wenn sich eine solche Angleichung der Fruchtbarkeitstrends zugunsten der fundamentalistischen Protestanten auswirkt, wäre dieser Effekt nicht ausgeprägt genug, um die Einwanderung von Hispano-Katholiken sowie die Säkularisation aufzuwiegen. Infolgedessen könnte der Anteil von Protestanten insgesamt bis 2043 auf unter 40 Prozent sinken, was den katholischen Glauben zur bedeutendsten Religion in den jüngeren Altersgruppen aufsteigen ließe.
Abb. 2: Projizierte absolute Bevölkerung der USA für 11 ethno-religiöse Kategorien bis zum Jahr 2043 (Szenario: konstante Entwicklung). Quelle: Sozialumfragedaten.
Migration ist ein Wachstumsfaktor nicht nur unter Katholiken, sondern auch bei Hindus und Muslimen, während die jüdische Population infolge ihrer niedrigen Fruchtbarkeit schrumpft. Insbesondere dürften die Muslime – heute noch die kleinste Religionsgruppe in den USA – die Juden zwischen 2020 und 2025 zahlenmäßig überholen, wenn sich die derzeitigen Trends in Migration und Fertilität fortsetzen.
Der Anteil der nichtreligiösen Bevölkerung wird seinen höchsten Wert voraussichtlich vor 2043 erreichen und danach wieder sinken. Der Grund dafür ist hauptsächlich die niedrige Fruchtbarkeit bei Amerikanern ohne Religionszugehörigkeit.Außerdem werden die Konfessionslosen ihren Anteil an der weißen Population erheblich ausbauen. Fundamentalistische und gemäßigte Protestanten werden allerdings im Gegensatz zu den liberalen Protestanten ihre Position weitgehend halten, da Letztere infolge ihrer geringen Fertilität und Nettoverlusten beim Austausch mit anderen Gruppen zurückgehen.
Insgesamt zeigen diese Projektionen die beachtliche Kontinuität der Glaubensgemeinschaften, allerdings mit einigen wichtigen Verschiebungen: Bis Mitte des 21. Jahrhunderts könnte in den USA die Zahl der Katholiken die der Protestanten übersteigen, und es wird mehr Muslime geben als Juden. Ein deutlicher „Gewinner“ zwischen den Trends zu Säkularismus bzw. Fundamentalismus ist nicht auszumachen; ein wesentliches Ergebnis der Studie liegt jedoch darin, dass die Gesellschaft allein aus demografischen Gründen religiöser werden kann, obwohl die Individuen selbst zu weniger Religiosität tendieren.