Max-Planck-Institut für demografische Forschung

Unterschiede in der Müttererwerbstätigkeit bleiben bestehen

2010 | Jahrgang 7 | 4. Quartal

Keywords: Ost-West-Vergleich, Müttererwerbstätigkeit, Vollzeitbeschäftigung, Kinderbetreuungsplätze, Arbeitsmarktsituation

Mitautorin der wissenschaftlichen Studie: Esther Geisler

Während in Westdeutschland zum Zeitpunkt des Falls der Berliner Mauer 1989 nur 56 Prozent der Frauen auf dem Arbeitsmarkt aktiv waren, lag die Erwerbsquote ostdeutscher Frauen bei 89 Prozent – ein Spitzenwert im internationalen Vergleich. Die Erwerbstätigkeit aller Frauen, auch derer mit Kindern, wurde in der DDR aus wirtschaftlichen und ideologischen Gründen forciert und war annähernd so hoch wie die der Männer. In Westdeutschland hingegen wurde die Ehe mit einem Vollzeit erwerbstätigen Ehemann und einer nicht erwerbstätigen oder Teilzeit erwerbstätigen Ehefrau gefördert. Mit der Übernahme der westdeutschen sozialpolitischen Rahmenbedingungen wurde vielfach vermutet, dass sich das Erwerbsverhalten ostdeutscher Mütter rasch dem der westdeutschen Frauen mit Kindern anpassen würde. Jedoch ist trotz der drastischen Veränderungen auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt nach 1990 bis heute keine solche Angleichung festzustellen – dies zeigen Studien des Max-Planck-Institutes für demografische Forschung Rostock, in denen Daten des Mikrozensus ausgewertet wurden. Betrachtet man den Erwerbsstatus von Frauen mit Kindern unter 18 Jahren, sieht man im Jahr 1991 gravierende Ost-West-Unterschiede (Abbildung 1). 

Abb. 1:  Erwerbsstatus von 18- bis 45-jährigen Frauen mit Kindern in Deutschland. Quelle: Scientific-Use-Files des Mikrozensus 1991 (eigene Berechnungen). Anmerkungen: Die Einteilung in Vollzeit-, Teilzeit- und geringfügig Beschäftigte erfolgte über die normalerweise geleistete Arbeitszeit pro Woche: Vollzeiterwerbstätigkeit entspricht mindestens 30 Stunden, Teilzeiterwerbstätigkeit 15 bis 29 Stunden und geringfügige Beschäftigung 1 bis 14 Stunden. Erwerbslose sind: nicht erwerbstätig, auf Arbeitssuche und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehend;  Nichterwerbspersonen sind: nicht erwerbstätig und nicht auf Arbeitssuche. 

Während zu diesem Zeitpunkt 74 Prozent der ostdeutschen Mütter Vollzeit erwerbstätig waren, waren es unter Müttern in Westdeutschland nur 23 Prozent. Obwohl die Vollzeiterwerbstätigkeit unter ostdeutschen Müttern über die Zeit stark abgenommen hat, ist der Anteil der Frauen mit Kindern, die 30 Stunden oder mehr pro Woche arbeiten, im Jahr 2007 mit 50 Prozent noch immer fast dreimal so hoch wie in Westdeutschland (18 Prozent; Abbildung 2).

Abb. 2:  Erwerbsstatus von 18- bis 45-jährigen Frauen mit Kindern in Deutschland. Quelle: Scientific-Use-Files des Mikrozensus 2007 (eigene Berechnungen). Anmerkungen: Die Einteilung in Vollzeit-, Teilzeit- und geringfügig Beschäftigte erfolgte über die normalerweise geleistete Arbeitszeit pro Woche: Vollzeiterwerbstätigkeit entspricht mindestens 30 Stunden, Teilzeiterwerbstätigkeit 15 bis 29 Stunden und geringfügige Beschäftigung 1 bis 14 Stunden. Erwerbslose sind: nicht erwerbstätig, auf Arbeitssuche und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehend;  Nichterwerbspersonen sind: nicht erwerbstätig und nicht auf Arbeitssuche. 

Vergleicht man Ost- und Westdeutschland, sind jedoch nicht nur die Unterschiede im Anteil Vollzeit erwerbstätiger Mütter beachtlich, sondern auch der relativ hohe Anteil erwerbsloser Mütter in Ostdeutschland. Während im Jahr 2007 13 Prozent der ostdeutschen Mütter erwerbslos waren, lag die Erwerbslosenquote westdeutscher Frauen mit Kindern nur bei sechs Prozent. Bemerkenswert ist auch, dass der Anteil derjenigen Mütter, die der Gruppe der Nichterwerbspersonen zugeordnet werden können, im Westen des Landes mit 27 Prozent weiterhin deutlich höher ist als im Osten (14 Prozent). 

Sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland hängt die Erwerbsbeteiligung von Müttern sehr stark vom Alter des jüngsten Kindes ab. Frauen mit jüngeren Kindern sind zu einem geringeren Anteil in den Arbeitsmarkt integriert. Allerdings sind bedeutende Ost-West-Unterschiede bezüglich des Erwerbsumfangs zu sehen. So sind mehr als die Hälfte der ostdeutschen Mütter, deren Kinder zwischen drei und fünf Jahre alt sind, Vollzeit erwerbstätig; in Westdeutschland beträgt dieser Anteil nur 16 Prozent. 

Die Ursachen dieser Ost-West-Differenzen können in den Unterschieden im Angebot an Kinderbetreuungsplätzen gesehen werden, das in Ostdeutschland wesentlich größer ist. Zudem bestehen nach wie vor in beiden Teilen Deutschlands unterschiedliche Einstellungen zur Müttererwerbstätigkeit. Durch die jahrzehntelange Tradition der Müttererwerbstätigkeit in Ostdeutschland ist für die meisten Frauen mit Kindern eine Integration in den Arbeitsmarkt selbstverständlich. Ein weiterer wichtiger Grund ist die unsichere Arbeitsmarktsituation in Ostdeutschland, die eine Partizipation beider Partner am Arbeitsmarkt erfordert.

Literatur

  • Geisler, E.: Mütterwerbstätigkeit. In: Familie und Partnerschaft in Ost- und Westdeutschland. Ergebnisse im Rahmen des Projektes „Demographic Differences in Life Course Dynamics in Eastern und Western Germany“, J. Goldstein, M. Kreyenfeld, J. Huinink, D. Konietzka und H. Trappe (Hrsg.). Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock 2010, 11-12.
  • Kreyenfeld, M., und E. Geisler: Müttererwerbstätigkeit in Ost- und Westdeutschland: eine Analyse mit den Mikrozensen 1991-2002. Zeitschrift für Familienforschung 18(2006)3: 333-360.

Titelseite dieser Ausgabe

Aus Ausgabe 2010/4

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