Die Mechanismen sind oft beschrieben worden: Immer besser ausgebildete Frauen, die sich zunächst ihren Weg ins Berufsleben bahnen wollen und teilweise mit schlechten wirtschaftlichen Bedingungen oder fehlender Kinderbetreuung zu kämpfen haben, verschoben die Familiengründung in den letzten Jahren und Jahrzehnten in ein immer höheres Alter. Die Zahl der Erstgeburten von über 40-Jährigen war noch nie so hoch wie in der jüngsten Vergangenheit, stellt denn auch Eva Beaujouan in ihrer Studie im Fachmagazin „Population and Development Review“ fest.
Die Demografin aber untersucht darin nicht nur die Entwicklungen in den letzten Jahren, sondern entwirft ein großes Bild der späten Fertilität in verschiedenen Industrienationen in der Zeit von 1950 bis 2016. Auch Daten zu Vätern, die immerhin bis in das Jahr 1990 zurückreichen, berücksichtigt sie. Auf den ersten Blick überraschend ist der hohe Anteil an Geburten über 40-Jähriger zu Beginn der 1950er Jahre (s.Abb. 1a). In den Niederlanden etwa hatte jedes 12. Kind eine Mutter, die bei der Geburt 40 Jahre oder älter war. Insgesamt schwankt der Anteil der späten Geburten zu diesem Zeitpunkt zwischen 2,5 Prozent (USA) und acht Prozent (Niederlande). Bis etwa Mitte der 80er Jahre allerdings geht er in allen untersuchten Ländern auf unter zwei Prozent zurück, bevor er in den meisten Ländern langsam, in Italien schneller, wieder ansteigt.
Anteil der Geburten und Erstgeburten von Frauen, die 40 Jahre oder älter sind
Abb. 1a/1b: Der Anteil der Kinder, die Frauen nach ihrem 40. Lebensjahr bekamen, war bereits Anfang der 1950er Jahre sehr hoch. Erstgebärende in diesem Alter gibt es aber vermehrt erst seit der Jahrtausendwende. Quelle: Human Fertility database sowie Human Fertility Collection für Erstgeburten in Österreich bis 1983 und in Italien bis 2003
Ein ganz anderes Bild jedoch ergibt sich, wenn man ausschließlich auf Erstgebärende schaut (s. Abb. 1b): Der Anteil an Frauen, die jenseits der 40 ihr erstes Kind zur Welt bringen, blieb seit den 1950er Jahren die meiste Zeit überall unter einem Prozent. Erst seit den 1990er Jahren steigt der Anteil später Erstgeburten deutlich an und erreicht bis 2016 je nach Land Anteile von zwei bis über fünf Prozent.
In den 1950er Jahren fielen die späten Geburten also vor allem auf Geschwisterkinder, d.h. zweite, dritte, vierte und weitere Kinder einer Familie. Ihr hoher Anteil erklärt sich auch dadurch, dass zu dieser Zeit Ehen meist später geschlossen wurden als in den 1970er Jahren. Zudem war die Verhütung zu diesem Zeitpunkt weitaus schwieriger und seltener als in kommenden Jahrzehnten.
Der Anstieg der späten Geburten seit den 1990er Jahren dagegen geht vor allem auf Erstgebärende zurück, die ihre Familiengründung aufgeschoben haben. Bis 2016 hält er in fast allen Ländern an oder beschleunigt sich sogar. Beaujouan kann in ihrer Untersuchung zeigen, dass der Anteil der späten Erstgebärenden in jenen Ländern am höchsten ist, in denen das Aufschieben der Familiengründung am frühesten einsetzte.
Auch der Anteil an Müttern, die sehr spät ihr erstes Kind bekommen, hat seit den 1990er Jahren deutlich zugenommen. Zwar tragen sehr späte Geburten, bei denen die Mutter 45 Jahre oder älter ist, mit lediglich 0,1 bis 0,4 Prozent zur Gesamtzahl aller Geburten bei. Trotzdem hat sich ihr Anteil in vielen Ländern verdoppelt bis vervierfacht. Mit der modernen Reproduktionsmedizin seien hier in vielen Ländern weitere Anstiege wahrscheinlich, schreibt Beaujouan.
Bei den Männern dagegen ist ein vergleichsweise moderater Anstieg später Vaterschaften zu verzeichnen. Da Männer theoretisch bis ins hohe Alter Kinder bekommen können und häufig der ältere Elternteil sind, wird die Grenze für eine sehr späte Vaterschaft höher angesetzt als bei den Frauen: Über 55-jährige Väter haben einen ähnlichen Anteil an der Zahl aller Geburten wie über 45-jährige Frauen. Ihr Anteil aber stieg seit 1990 in den meisten Ländern vergleichsweise langsam.