In der ersten Generation der aus der Türkei Zugewanderten gaben sogar nur 0,4 Prozent der Frauen und 1,5 Prozent der Männer an, in einer nicht ehelichen Partnerschaft zu leben. Auch unter den befragten Spätaussiedler*innen ist das unverheiratete Zusammenleben mit gut vier Prozent keine sehr beliebte Lebensform, wie Anne-Kristin Kuhnt von der Universität Rostock und Sandra Krapf von der Universität Mannheim in einer neuen Studie darlegen.
Die beiden Demografinnen haben darin zwei Befragungen des deutschen Mikrozensus‘ ausgewertet, in denen Angaben zur Lebensform, zu Herkunft, Alter und Bildung erfasst sind. Denn während man schon einiges darüber weiß, wie und wann Migrant*innen heiraten oder wie hoch die Scheidungsraten sind, so ist die Frage, welche Lebensform junge Erwachsene mit Migrationshintergrund in Deutschland wählen, bisher kaum erforscht.
In die Analyse einbezogen wurden Zugewanderte und deren Nachkommen aus der Türkei sowie Spätaussiedler*innen (also aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion oder anderen post-sozialistischen, osteuropäischen Staaten Zugewanderte mit deutschen Vorfahren), die zusammen rund ein Viertel aller Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland ausmachen.
Eine Ehe ist die mit Abstand häufigste Lebensform bei den Spätaussiedler*innen und bei den türkeistämmigen Migrant*innen der sogenannten 1. Generation (s. Abb. 1). Andere Partnerschaftsformen sind bei diesen Migrantengruppen eher selten. Etwas anders sieht das bei den türkeistämmigen Migrant*innen der sogenannten 2. Generation aus. Weil diese in der Regel noch jünger ist, überrascht es nicht, dass 45 Prozent der Frauen und 55 Prozent der Männer noch im elterlichen Haushalt leben. Der Anteil derjenigen, die als Single in einem eigenen Haushalt leben oder unverheiratet mit einem Partner oder einer Partnerin zusammenleben, ist etwas höher als bei der 1. Generation, aber im Vergleich zu den Menschen ohne Migrationshintergrund immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau.
Lebensformen von jungen Menschen ohne Migrationshintergrund und Migrant*innen (in Prozent)
Abb. 1: Während die Lebensformen bei jungen Erwachsenen ohne Migrationshintergrund recht heterogen sind, sind Singlehaushalte oder unverheiratetes Zusammenleben bei Migrant*innen eher selten. Quelle: Mikrozensus (2009, 2013), eigene Berechnungen
Bei Letzteren ist das eheliche Zusammenleben nur eine von mehreren möglichen Lebensformen: Gut die Hälfte aller Frauen lebt als Single im eigenen Haushalt oder im Elternhaushalt. Bei den Männern sind es sogar über 60 Prozent. Auch das nicht eheliche Zusammenleben ist mit 16 Prozent bei den Frauen und mit 14 Prozent bei den Männern ein wesentlich häufiger gewähltes Modell als bei den Migrant*innen.
Diese Ergebnisse können nur zu sehr kleinen Teilen durch Bildungsunterschiede erklärt werden, wie eine vertiefende Analyse zeigte. Die Sozialisierung, die Traditionen und Normen aus dem Herkunftsland (der Eltern) scheinen also bis in die 2. Generation hinein noch eine große Rolle zu spielen.