Die Pandemie hat in vielen Ländern sowohl einen wirtschaftlichen als auch einen demografischen Schock verursacht. Beides analysiert Miguel Sanchez-Romero vom Vienna Institute of Demography am Beispiel von zwölf Ländern, die unterschiedlich stark von der Pandemie betroffen waren und unterschiedliche Sozialsysteme haben. Der ökonomische Schock wurde dabei vor allem durch Lockdown-Maßnahmen und andere Beschränkungen wirtschaftlicher Tätigkeiten ausgelöst und hat sich direkt auf das Arbeitseinkommen ausgewirkt. Indirekt sanken in der Folge auch der Konsum und die öffentlichen Transferzahlungen wie Sozialleistungen und Steuereinnahmen. Gleichzeitig veränderten sich private Transferzahlungen wie zum Beispiel Zahlungen von Eltern an Kinder (vgl. Abb. 3). Darüber hinaus gab es auch einen sogenannten „demografischen Schock“, der durch die gesundheitlichen Folgen ausgelöst wurde und zu einem Anstieg der Sterblichkeit und zu langfristigen Gesundheitsproblemen einiger Infizierter geführt hat. Dadurch stiegen einerseits die Gesundheitskosten, andererseits verringerte sich durch die höhere Sterblichkeit auch das sogenannte Humankapital. Auch der demografische Schock wirkte indirekt auf den Konsum, die privaten und öffentlichen Transferzahlungen, da sich die Lebenserwartung und die Altersverteilung der Bevölkerung änderte.
Zusätzliche Schulden aufgrund der COVID-19-Pandemie
Abb. 1: Kompensiert der Staat pandemiebedingte Lohnverluste, steigt die Verschuldung, aber die finanzielle Belastung der Generationen ist ausgeglichener. Quelle: Sanchez-Romero (2022), eigene Berechnungen
Um die genauen Folgen dieser Schocks analysieren zu können, greift Miguel Sanchez-Romero auf Daten aus den so genannten „National Transfer Accounts“ (NTA) zurück. Diese messen, wie Menschen in jedem Alter Ressourcen produzieren, konsumieren, transferieren oder für die Zukunft sparen. Daneben fließen weitere Daten wie etwa Infektionszahlen oder Staatsschulden in die Analyse ein. Der Studie liegt ein ökonomisches Modell zugrunde, mit dem sich das Verhalten und die Entwicklung unterschiedlicher, sich überschneidender Generationen nachvollziehen lässt. Da die Folgen der Pandemie nicht nur kurzfristige, sondern auch mittelfristige Auswirkungen haben werden, ermittelt die Studie Werte, die jeweils den Konsum und die Transferleistungen in der gesamten verbleibenden Lebenszeit zusammenfassen.
Insgesamt waren die Einkommenseinbußen in den untersuchten Ländern, Australien, Österreich, Brasilien, Kolumbien, Costa Rica, Finnland, Ungarn, Italien, Japan, Slowenien, Schweden und den USA, sehr unterschiedlich groß. Während Australien etwa auf knapp sechs Prozent kam, brachen die Löhne in Italien um 16 Prozent ein. Im Schnittlagen die Einbußen bei zehn Prozent. Das führte dazu, dass der Konsum in allen Altersgruppen zurückging – allerdings unterschiedlich stark: Mit jedem Prozent, um den der Lohn abnahm, sank der Konsum der 25- bis 64-Jährigen um 0,94 Prozent. Bei den 0- bis 24-Jährigen reduzierten sich die Ausgaben im Schnitt um 0,73 Prozent, bei den über 64-Jährigen lediglich um 0,32 Prozent (s. Abb. 2).
Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Konsum
Abb. 2: Werden Einkommensverluste ganz ausgeglichen nimmt der Konsum, den 0- bis 24-Jährige sowie 25- bis 64-Jährige über ihr komplettes Leben tätigen, nicht so stark ab. Quelle: Sanchez-Romero (2022), eigene Berechnungen
Das zumindest gilt für ein Szenario, in dem der Staat die Lohneinbußen nicht durch finanzielle Hilfen abmildert oder kompensiert. Um den kompletten Handlungsrahmen der Politik widerzuspiegeln und aufzuzeigen, wie sich das Eingreifen des Staates auf den Konsum der unterschiedlichen Generationen, die Staatsschulden und die zukünftige Steuerbelastung auswirken kann, rechnet Miguel Sanchez-Romero noch ein weiteres Extremszenario durch: Nimmt man an, dass der Staat die Lohneinbußen durch die COVID-19-Pandemie zu 100 Prozent ersetzt, zeigt sich bei den Konsumeinbrüchen der verschiedenen Generationen ein weitaus ausgeglicheneres Bild: Mit jedem Prozent, um den der Lohn abnimmt, reduziert die jüngste Generation (0 bis 24 Jahre) in diesem Fall ihren Konsum um 0,24 Prozent, die 25- bis 64-Jährigen um 0,46 Prozent und die älteste Generation (65-Jährige und älter) um 0,4 Prozent.
Auch der Staatshaushalt wird durch einen Rückgang der Steuereinnahmen, geringere Sozialversicherungsbeiträge und mögliche Hilfen bei Lohneinbußen belastet. Lagen die Lohneinbußen in einem Land bei den durchschnittlichen zehn Prozent, so stieg der Schulden-Einkommensquotient um zwölf Prozent, wenn der Staat keine Hilfen zahlte (s. Abb.1). In diesem Fall wächst die Arbeitslosenquote und die Erholung der Wirtschaft wird erschwert. Für die Analyse wird daher angenommen, dass im Jahr 2021 die Hälfte und im Jahr 2022 ein Viertel der Arbeitseinkommensverluste von 2020 fortbestehen werden. Wurden Lohneinbußen dagegen komplett durch staatliche Hilfen kompensiert, dann stieg der Schulden-Einkommensquotient in Ländern mit zehnprozentigen Lohneinbußen um sechzehn Prozent. Während dies die Chancen auf eine wirtschaftliche Erholung verbesserte, erhöhte sie natürlich den öffentlichen Schuldenstand und belastet damit zukünftige Generationen. Ein einprozentiger Rückgang des Arbeitseinkommens führte demnach zu einem durchschnittlichen Anstieg des Gesamtsteueraufkommens in den 2020er Jahren um 0,074 Prozent, wenn der Staat pandemiebedingte Lohnverluste nicht kompensiert. Werden Arbeitnehmer*innen für ihre Einkommensverluste vollständig entschädigt, steigt das Gesamtsteueraufkommen um 0,104 Prozent. In beiden Fällen werden Schätzungen zugrunde gelegt, wonach mit jedem Prozentpunkt, um den die Zahl der Infizierten zunimmt, die Wertschöpfung um 0,25 Prozentpunkte sinkt. Außerdem wird angenommen, dass die Schulden ab 2022 abbezahlt werden und die Schuldenquote pro Jahr um zehn Prozent gesenkt wird.
Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Transfers
Abb. 3: Wenn die Eltern durch staatliche Ausgleichszahlungen für Lohneinbußen entlastet werden, geben sie deutlich mehr Geld an ihre Kinder weiter (private Transfers). Quelle: Sanchez-Romero (2022), eigene Berechnungen
Der höheren Verschuldung und Steuerbelastung bei einer Kompensation der Einkommensverluste steht indes eine gerechtere Verteilung der Transfers gegenüber: Werden etwa Arbeitnehmer*innen für ihre Lohnverluste entschädigt, wirkt sich das positiv für ihre Kinder aus: Ohne staatliche Unterstützung müssen die 0- bis 24-Jährigen mit einem Rückgang der Transfers über den gesamten Lebenslauf um 0,61 Prozent rechnen (s. Abb. 3). Im anderen Extremszenario, der vollen Kompensation,dagegen sinken sie nur um 0,29 Prozent. Die Jüngeren profitieren damit indirekt von der geringerenBelastung der Elterngeneration. Dies führt dazu, dass Eltern an ihre Kinder privat mehr zahlen können. Die Altersgruppe der über 64-Jährigen jedoch wird in diesem Fall stärker belastet.