Vienna Institute of Demography

Regelmäßiger Kontakt zur Familie senkt Depressionsrisiko

2006 | Jahrgang 3 | 4. Quartal

Keywords: Mentale Gesundheit, Share, Geschlechterunterschiede, Alterung, Kontakthäufigkeit

Isabella Buber, Henriette Engelhardt

Eine neue Studie* des Wiener Instituts für Demographie befasst sich mit dem Einfluss von Kindern und Partnerschaft auf die mentale Gesundheit im Alter. Verwendet werden Daten des Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE). Die Studie umfasst nur Personen im Alter von 60 Jahren und älter, die weder berufstätig noch arbeitslos sind, um den Einfluss von Erwerbstätigkeit auszuschließen. Als Maß für mentale Gesundheit wird die zwölf Merkmale umfassende EURO-D Skala verwendet, auf der hohe Werte für ein hohes Depressionsniveau stehen (sämtliche Fragen bezogen sich auf den Monat vor der Befragung). 

45 Prozent der Personen gaben an, traurig oder niedergeschlagen gewesen zu sein. Als zweithäufigste Symptome wurden Kraftlosigkeit (37 Prozent) und Schlafstörungen (36 Prozent) genannt. 31 Prozent der Interviewten hatten zumindest einmal im Monat geweint, und 29 Prozent gaben Konzentrationsschwierigkeiten an. Je 23 Prozent waren eher pessimistisch eingestellt und fühlten sich gereizt. Die weiteren Symptome verteilten sich wie folgt: wenig Freude an den Dingen des Lebens (19 Prozent), zumindest einmaliger Wunsch, tot zu sein (13 Prozent), Appetitlosigkeit (13 Prozent), wenig Interesse an der Umgebung (zwölf Prozent) und Schuldgefühle (sieben Prozent). Im Durchschnitt nannten die Befragten in dieser Studie 2,9 Symptome. Nach Prince et al. (1999) sind Personen mit einem EURO-D Wert über 3 als depressiv einzustufen; in dieser Stichprobe trifft dies auf 33 Prozent zu. Jedoch zeigen sich große Unterschiede zwischen den Ländern: Ältere in Spanien, Frankreich und Italien haben ein sehr hohes Depressionsniveau, jene in Dänemark das niedrigste. Deutschland und Österreich liegen im Mittelfeld. 

In allen Ländern nimmt die Anzahl der Symptome von Depressionen mit dem Alter zu. Allgemein finden sich Symptome einer Depression häufiger bei Frauen als bei Männern sowie bei Personen mit relativ niedriger Bildung. Weiterhin sind allein lebende ältere Personen signifikant häufiger von Depressionen betroffen als verheiratete oder in Partnerschaft lebende Menschen. Unter den allein lebenden Frauen und Männern sind Geschiedene stärker von Depressionen betroffen als Verwitwete: Allein lebende Geschiedene schneiden auf der Depressionsskala um 0,3 Punkte schlechter ab als der Gesamtdurchschnitt (2,9), allein lebende Verwitwete um 0,1 Punkt schlechter als der Durchschnitt (siehe Abbildung 1). 

Abb. 1: Abweichung vom Gesamtdurchschnitt (2,9) der Depressionssymptome, kontrolliert nach Geschlecht, Alter, Bildung, Land; Quelle: SHARE (eigene Berechnungen).

Welchen Einfluss haben nun Kinder auf die mentale Gesundheit ihrer Eltern? Die Analyse berücksichtigt die Zahl der Kinder sowie räumliche Nähe und Kontakthäufigkeit zu den Kindern. Auf den ersten Blick zeigen kinderlose ältere Personen mehr Symptome von Depressionen als Eltern. Dieser Effekt verringert sich allerdings, sobald sozio-ökonomische Indikatoren berücksichtigt werden. Keinen Einfluss hat die räumliche Nähe zu Kindern auf die mentale Gesundheit ihrer Eltern. Jedoch hat die Kontakthäufigkeit zu Kindern einen Effekt: Ältere mit wenig Kontakt zu ihren Kindern (seltener als einmal in der Woche) sind eher von Depressionen betroffen als der Durchschnitt. Interessant ist auch, dass Ältere, die mit einem ihrer Kinder im Haus oder Haushalt leben, ein höheres Depressionsniveau haben als von den Kindern entfernt lebende Personen. Hier ist zu vermuten, dass gesundheitliche Probleme der Grund dafür sind, dass ältere Menschen mit ihren Kindern zusammenleben; die Kausalität läuft also eher in entgegengesetzte Richtung. 

Die Studie beweist, dass Kinder einen Einfluss auf die mentale Gesundheit ihrer Eltern haben. Sowohl Kinderlose als auch Eltern mit wenig Kontakt zu ihren Kindern haben im Alter mehr Symptome von Depressionen als Ältere mit Kindern bzw. mit regelmäßigem Kontakt zu ihren Kindern. Neben Kindern schützt aber auch eine Partnerschaft vor Depressionen. Eine Partnerschaft hat sogar einen stärkeren protektiven Einfluss auf die mentale Gesundheit eines Menschen als Elternschaft oder Kontakthäufigkeit zu den Kindern.

Literatur

  • *Buber, I. and H. Engelhardt: Children and mental health of elderly. Vienna Institute of Demography of the Austrian Academy of Sciences, Vienna 2006 (European demographic research papers; 3/2006) [forthcoming].
  • Prince, M.J. et al: Development of the EURO-D scale: a European Union initiative to compare symptoms of depression in 14 European centres. British Journal of Psychiatry 174(1999): 330-338.

Aus Ausgabe 2006/4

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