ISSN 1613-8856

Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels

Zu alt für einen neuen Job?

2007 | Jahrgang 4 | 4. Quartal

Keywords: Wiederbeschäftigungschancen, Alterseffekt, Erwerbsbiografien, Renten-und Arbeitsmarktreformen

Katharina Frosch

Die Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer ist schwierig: In den EU-19 Ländern (EU-15 plus Ungarn, Polen,Tschechien und Slowakei) beträgt laut OECD Arbeitsmarktstatistik für 2006 der Anteil derer, die in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre beschäftigt sind, nur 43,9 Prozent. Mit einer Beschäftigtenquote von 48,6 Prozent in dieser Altersgruppe liegt Deutschland über dem europäischen Durchschnitt, aber noch unterhalb des in der Lissabon-Strategie bis 2010 festgelegten Zielwerts von 50 Prozent. Ein Vergleich der Arbeitslosenquoten zeichnet ein anderes Bild: In Deutschland sind 12,3 Prozent der 55-bis 64- Jährigen arbeitslos – und damit fast doppelt so viele wie im Durchschnitt der EU-19 Länder (6,5 Prozent). 

Wie stark unterschiedliche Altersgruppen von Arbeitslosigkeit betroffen sind, hängt grundsätzlich von zwei Faktoren ab: einerseits vom Risiko, die Arbeitsstelle zu verlieren, andererseits von den Möglichkeiten, wieder ins Berufsleben zurückzukehren. Zahlreiche empirische Studien zeigen, dass die Dauer der Arbeitslosigkeit bei älteren Arbeitssuchenden länger ist und die Chancen auf Wiederbeschäftigung geringer sind als bei jüngeren. 

Um den Effekt des Lebensalters auf die Wiederbeschäftigungschancen genauer zu charakterisieren, untersucht eine Studie des Forschungsbereichs „Alternde Arbeitskräfte“ am Rostocker Zentrum Erwerbsbiografien von mehr als 113.000 männlichen Personen in Westdeutschland im Alter von 35 bis 64 Jahren für 1975 bis 2001. 

Abb. 1: Rückkehr ins Arbeitsleben nach Altersgruppen (eigene Berechnungen).
Datengrundlage des Beitrags bildet die faktisch anonymisierte IAB-Beschäftigtenstichprobe (Regionalstichprobe, 1975-2001). Datenzugang erfolgte über einen Scientific Use File, der vom Forschungsdatenzentrum der Bundesagentur für Arbeit im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zu beziehen ist.

Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Wiederbeschäftigung innerhalb der ersten zwei Jahre nach Verlust des Arbeitsplatzes für vier verschiedene Altersgruppen. Als wiederbeschäftigt gilt, wer innerhalb von 24 Monaten wieder in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zurückkehrt. 

Zu Beginn sind 100 Prozent der Personen ohne Beschäftigung. Je niedriger das Niveau der Kurve nach zwei Jahren ist, desto mehr Personen haben in dem Zeitraum eine sozialversicherungspflichtige Arbeit aufgenommen. Von den 55- bis 59-Jährigen finden nur knapp 30 Prozent wieder eine Stelle, bei den über 60-Jährigen sind es sogar nur 10 Prozent. Auch in der Altersgruppe 50 bis 54 Jahre haben mit 33 Prozent mehr Arbeitssuchende keine neue Arbeit gefunden als in der jüngsten Altersgruppe der 35- bis 49-Jährigen, die nach Arbeitsplatzverlust Wiederbeschäftigungsquoten von 79 Prozent erzielen. 

Ist es tatsächlich das Alter selbst, das sich negativ auf die Wiederbeschäftigungschancen auswirkt? Die Ergebnisse könnten sich beispielsweise auch dadurch erklären, dass Jüngere bevorzugt in boomenden Wirtschaftsbranchen tätig sind, ältere Arbeitnehmer hingegen überdurchschnittlich häufig in Bereichen arbeiten, in denen die Wahrscheinlichkeit auf Wiederbeschäftigung insgesamt vergleichsweise gering ist. Auch regionale Unterschiede könnten eine Rolle spielen, wenn in Gegenden, deren allgemeine Arbeitsmarktlage eher ungünstig ist, besonders viele ältere Menschen wohnen. 

Die vorliegende Analyse kann eine Vielzahl derartiger Erklärungsansätze ausschließen. Denn im Vergleich zur Altersgruppe 50 bis 54 Jahre haben 35-bis 39-jährige Arbeitssuchende 41 Prozent bessere, 55- bis 59-Jährige dagegen 63 Prozent und 60- bis 64-Jährige gar 88 Prozent schlechtere Wiederbeschäftigungschancen – selbst wenn für die Region des Wohnorts, das Jahr des Arbeitsplatzverlustes, die Entgeltgruppe, den Wirtschaftssektor bei der letzten Beschäftigung, die Dauer der vorangegangenen Arbeitslosigkeit und das Bildungsniveau kontrolliert wird.

Doch wie hat sich die Situation Älterer auf dem Arbeitsmarkt seit 2001 entwickelt? Die Beschäftigungsquote in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre stieg um über zehn Prozent an. Gleichzeitig nahm die Arbeitslosenquote mit 0,6 Prozent – verglichen mit zwei Prozent bei den 25- bis 54-Jährigen – nur unterdurchschnittlich stark zu. Diese erfreuliche Entwicklung spricht dafür, dass ältere Arbeitnehmer verstärkt auf dem Arbeitsmarkt aktiv sind; gefördert auch durch Renten- und Arbeitsmarktreformen der vergangenen Jahre. So konnten ältere Arbeitssuchende bis vor Kurzem auf verlängerte Bezugsdauern beim Arbeitslosengeld und die abschlagsfreie Frühverrentung ab 60 Jahren zählen. Diese Möglichkeiten, die einen frühen Erwerbsaustritt erleichterten und vermutlich auch für schlechtere Wiederbeschäftigungschancen Älterer verantwortlich sind, werden nun schrittweise abgebaut. 

Nicht nur deshalb ist die aktuelle Diskussion, die Arbeitslosengeld-Bezugsdauer für Ältere wieder zu verlängern, kritisch zu hinterfragen: Durch die Neuregelungen mögen die Betroffenen zwar finanziell etwas besser abgesichert sein als momentan. Mit einem verfrühten Erwerbsaustritt verlieren sie jedoch gleichzeitig eine wichtige Möglichkeit der aktiven Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Auch werden Unternehmen in Zeiten des Demografischen Wandels immer weniger auf das Erwerbspersonenpotenzial der älteren Bevölkerung verzichten können.

Literatur

  • Frosch, K.: Zu alt für einen neuen Job? Altersspezifische Wiederbeschäftigungschancen nach Verlust des Arbeitsplatzes. Wirtschaftspolitische Blätter 54(2007)4: 641-656.

Titelseite dieser Ausgabe

Aus Ausgabe 2007/4

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