Die Studie nutzt Daten des Sozio-ökonomischen Panels des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Die Herkunftsländer der Zuwanderinnen sind die Türkei, das ehemalige Jugoslawien, Griechenland, Italien und Spanien. Verglichen werden Frauen der ersten Zuwanderergeneration mit Westdeutschen und Frauen der zweiten Migrantengeneration. Die Frauen der ersten Zuwanderergeneration hatten bei der Einwanderung kein Kind. Die Frauen der zweiten Migrantengeneration sind als Kinder nach Westdeutschland gekommen oder wurden dort geboren. Während internationale Forschung negative Auswirkungen von Migration auf das Familienleben thematisiert, wie auf die Stabilität von Partnerschaften (Demografische Forschung Aus Erster Hand 3/2006), findet sich kein negativer Einfluss auf den Übergang zur Mutterschaft. Frauen der ersten Zuwanderergeneration haben die höchsten Erstgeburtenraten. 50 Prozent von ihnen bekamen ihr erstes Kind etwa vier Jahre nach dem Umzug nach Deutschland. Etwa 17 Prozent bleiben überhaupt kinderlos. Zum Vergleich: Der Anteil der kinderlosen Frauen unter Westdeutschen liegt in der Stichprobe bei 23,5 Prozent. Schaut man sich die ersten Jahre nach Ankunft der Migrantinnen in Westdeutschland genauer an (Abbildung 1), zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit, ein erstes Kind zu bekommen, vor allem in den ersten beiden Jahren hoch ist – etwa sechsmal so hoch wie die für Frauen aus Westdeutschland. Dies resultiert daraus, dass für Arbeitsmigranten beziehungsweise für Migranten, die im Zuge der Familienzusammenführung nach Deutschland kamen, typischerweise Eheschließung und Umzug innerhalb einer kurzen Zeitspanne erfolgten. Bezieht man die Ehedauer in die Analyse ein, verringert sich der eigentliche „Umzugseffekt“: Die Wahrscheinlichkeit einer ersten Geburt in den ersten Jahren nach der Migration sinkt, bleibt aber dennoch höher als für deutsche Frauen und für die zweite Migrantengeneration. Das bedeutet, dass Frauen der ersten Migrantengeneration hauptsächlich ein höheres Erstgeburtenrisiko haben, weil es sich hier vor allem um Jungverheiratete handelt und das erste Kind im Allgemeinen in den ersten Jahren einer Ehe geboren wird. Zwar mag ein Umzug nach Deutschland auch an Heiratsmigrantinnen hohe Anforderungen stellen; dennoch scheinen die ersten Jahre in der neuen Heimat eine gute Zeit für die Familiengründung zu sein. Zum einen führt der Umzug oft ehemals räumlich getrennt lebende Paare wieder zusammen. Die auf die Immigration folgende Geburt könnte damit als ein Zeichen für das Ende der Wanderung gesehen werden, das eine Partnerschaft „komplettiert“. Zum anderen könnte die für EU- und Nicht-EU- Bürger unterschiedlich gestaltete familien- und arbeitsmarktpolitische Gesetzgebung die erhöhten Geburtenzahlen kurz nach der Einwanderung erklären. Seit 1986 erhielten Bürger aus Nicht-EU-Staaten staatliche Familienleistungen nur, wenn das Kind in Deutschland geboren wurde und aufwuchs. Außerdem war es Nicht-EU-Bürgern nach 1974 nicht mehr erlaubt, zur Erwerbstätigkeit nach Deutschland zu ziehen. Frauen aus Nicht-EU- Staaten, die zur Familienzusammenführung einwanderten, erhielten in der ersten Zeit ihres Aufenthalts keine Arbeitserlaubnis. Dies legt nahe, dass die Frauen diese Zeit für ein erstes Kind genutzt haben könnten. Die Studie unterstreicht, dass sich ein Umzug über Ländergrenzen nicht negativ auf die Familiengründung auswirkt. Langfristig jedoch bestimmt der Niedrigfertilitätskontext in Deutschland das Geburtenverhalten von Frauen mit Wanderungshintergrund. So bekommen Migrantinnen, die mit einem Deutschen verheiratet sind, seltener ein Kind als Migrantinnen, deren Ehepartner aus demselben Land stammt. Und bereits in der zweiten Generation ähnelt das Fertilitätsverhalten von Migranten mehr dem der Deutschen als dem der Elterngeneration. Dies ist umso bedeutender, als dass die in der Studie betrachteten Herkunftsländer zumindest bis Anfang der 1990er Jahre höhere Geburtenziffern hatten als Deutschland. Frauen der zweiten Migrantengeneration werden später und seltener als die der ersten Generation Mutter. Etwa 22 Prozent bleiben kinderlos. Im Vergleich zu Westdeutschen jedoch werden Migrantinnen der zweiten Generation rund zwei Jahre früher Mutter; 50 Prozent haben mit etwa 27 Jahren ein Kind. Dies lässt sich vor allem auf die durchschnittlich niedrigere Bildung von Migranten im Vergleich zu Deutschen zurückführen: Je höher der Abschluss, umso länger schieben Frauen ein erstes Kind auf.
ISSN 1613-8856
Max-Planck-Institut für demografische Forschung
Auf einen Streich: Umzug, Heirat und das erste Kind
2008 | Jahrgang 5 | 2. Quartal
Keywords: Internationale Migranten, Fertilität, Westdeutschland
Literatur
- Milewski, N.: First child of immigrant workers and their descendants in West Germany: interrelation of events, disruption, or adaptation? Demographic Research 17(2007)29: 859-896.