In modernen Gesellschaften steht eine Vielzahl von Familienlebenswegen nebeneinander. Biografien, die eine hohe Kinderzahl oder Heirat ohne vorheriges Zusammenleben aufweisen, sind in den vergangenen Jahrzehnten zurückgegangen, während durch Kinderlosigkeit oder Scheidung geprägte Lebensverläufe häufiger geworden sind. Die Studie geht der Frage nach, welche sozio-demografischen Charakteristika bestimmte biografische Sequenzen wahrscheinlicher werden lassen, und konzentriert sich dabei auf die Rolle der Religiosität. Folgende Aspekte von Familienbiografien werden berücksichtigt: nichteheliches Zusammenleben versus direkte Heirat, Partnerschaftsstatus bei der Geburt der Kinder, Kinderzahl und Scheidung.
Die Analysen basieren auf den Daten des Österreichischen Generations and Gender Survey (GGS) aus den Jahren 2008/09. Sie umfassen Frauen und Männer im Alter von 40 bis 45 Jahren, da diese ihre reproduktive Phase bereits weitgehend abgeschlossen haben. In einem ersten Schritt wurde, basierend auf Informationen über Kinderzahl und Partnerschaftsstatus (ohne Partner lebend, unverheiratet zusammenlebend, verheiratet), der Familienlebenslauf jeder Person in jedem Monat des Lebens im Alter von 15 bis 39 Jahren rekonstruiert.
Abb. 1: Häufigste Familienlebenswege österreichischer Frauen und Männer im Alter von 40 bis 45 Jahren. Quelle: Österreichischer GGS 2008/09 (eigene Berechnungen).
Die in Abbildung 1 dargestellten häufigsten Lebenswege erfassen nahezu die Hälfte der Frauen und Männer in der untersuchten Altersgruppe. Demnach ist ein durch nichteheliches Zusammenleben vor der Ehe und zwei Kinder charakterisierter Familienverlauf am weitesten verbreitet (Typ A). Am zweithäufigsten ist ein permanentes Wohnen ohne Partner. Der dritte Familientyp (C) ist gekennzeichnet durch zwei Kinder, ohne dass die Eltern vor der Heirat zusammen gewohnt haben. Personen, die diese Art des Eintritts in eine Lebensgemeinschaft wählen, bekommen ihr erstes Kind im Durchschnitt zwei Jahre früher als die erste Gruppe (Typ A). In den drei folgenden Mustern teilen die Paare bereits vor der Ehe einen gemeinsamen Haushalt. Sie unterscheiden sich in der Kinderzahl, dem Alter bei den Geburten sowie dem Partnerschaftsstatus bei der Geburt des ersten Kindes. Die zuletzt dargestellte Abfolge (Typ G) ist durch direkte Heirat und drei Kinder gekennzeichnet.
Aufgrund der Komplexität der beobachtbaren Lebensläufe im Datensatz wurden acht verschiedene Modell-Lebenswege konstruiert, die zum Teil den eben vorgestellten entsprechen. Mittels Sequenzanalyse wurde jede Person jenem Modell-Lebensweg zugeordnet, der ihrem Lebensweg am ähnlichsten ist. In der Folge zeigte sich, dass Männer weitaus häufiger als Frauen durchgängig allein leben. Personen, die selbst mit vielen Geschwistern aufgewachsen sind, neigen eher zu traditionellen Lebenslaufmustern mit direkter Heirat und einer großen Familie. Höher Gebildete folgen eher der häufigsten Struktur mit nichtehelichem Zusammenleben und zwei Kindern; sie entscheiden sich weniger für eine hohe Kinderzahl, haben seltener eine außereheliche Geburt oder leben seltener durchgängig ohne Partner. Eine Scheidung der Eltern erhöht die eigene Scheidungswahrscheinlichkeit. In ländlichen Gebieten beheimatete Personen tendieren eher zu vielen Kindern sowie zu nichtehelicher Elternschaft.
Abb. 2: Anteile der Familienlebenswege österreichischer Frauen und Männer im Alter von 40 bis 45 Jahren nach Häufigkeit des Kirchenbesuchs. Quelle: Österreichischer GGS 2008/09 (eigene Berechnungen, vorhergesagte Wahrscheinlichkeiten aus einem multinomialen logistischen Modell).
Kann auch ein Einfluss von Religiosität nachgewiesen werden? Österreich ist ein religiös relativ homogenes Land mit einem Katholikenanteil von 70 Prozent in der untersuchten Altersgruppe, ein Drittel besucht mindestens monatlich den Gottesdienst. Dem katholischen Ideal entsprechen Lebenskonzepte mit direkter Heirat, hoher Kinderzahl und dauerhafter Ehe. Immerhin 22 Prozent der regelmäßigen Kirchgänger entscheiden sich für eine Haushaltsgründung erst mit der Eheschließung und zwei oder drei und mehr Kinder (Abb. 2). Dies trifft nur auf zehn Prozent der Kirchenfernen zu. Entwürfe, die ein nichteheliches Zusammenleben und zwei oder mehr Kinder umfassen, werden etwas häufiger von kirchennahen Personen gewählt, obwohl sie nicht mit der katholischen Lehre übereinstimmen. Doch scheinbar erachten Gläubige eine nichteheliche Paarbeziehung als weniger von der Norm abweichend als nichteheliche Elternschaft, Scheidung oder sequenzielles nichteheliches Zusammenleben ohne Kinder. Dauerhafte, kinderlose Singles sind allerdings unter kirchennahen und kirchenfernen Personen ähnlich häufig vertreten.
Diese Ergebnisse belegen, dass Religiosität noch immer ein wesentlicher Erklärungsfaktor für Partnerschafts- und Fertilitätsverhalten ist. Jedoch verringert sich der unmittelbare Einflussbereich der Kirche mit dem Rückgang der Gruppe der kirchennahen Personen – und dieser Trend wird sich voraussichtlich fortsetzen.