Lange Zeit galten sie als Exoten. Doch inzwischen sind sie fast so häufig zu finden wie Menschen, die unverheiratet zusammenleben: Paare mit getrennten Wohnungen.
Wissenschaftler haben für diesen Trend zwei Gründe ausgemacht. Zum einen erfordert die Situation am Arbeitsmarkt seit vielen Jahren eine zunehmende Mobilität und Flexibilität der Beschäftigten: Wo sich ihr Arbeitsplatz befindet, können sich die meisten Menschen inzwischen nur noch sehr bedingt aussuchen. Zum anderen scheint immer öfter auch innerhalb fester Partnerschaften der Wunsch nach mehr persönlichen Freiräumen zu bestehen. Dieser wird dann in Form getrennter Wohnungen verwirklicht. Während es sich bei der ersten Form der bilokalen Paarbeziehungen (siehe Glossar) meist um sogenannte „Long Distance Relationships“ handelt, die von den Partnern oft ungewollt sind, leben Paare, die sich freiwillig für eine „Living Apart Together“-Beziehung entschieden haben, oft nur wenige Kilometer voneinander entfernt.
So oder so werden bilokale Paarbeziehungen jedoch von vielen Menschen als Übergangs- oder Notlösungen angesehen, die selten von langer Dauer sind. Jürgen Dorbritz und Robert Naderi sind diesem Vorurteil nachgegangen. In ihrer Studie, die in der Fachzeitschrift Comparative Population Studies – Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft veröffentlicht ist, haben sie untersucht, wie stabil solche Partnerschaften tatsächlich sind und welche Rahmenbedingungen das Fortbestehen, den Zusammenzug oder eine Trennung der Partner begünstigen.
Die Demografen analysierten dazu Daten der deutschen Studie „pairfam“ (Panel Analysis of Intimate Relationships and Family Dynamics), für die seit 2008 eine Ausgangsstichprobe von rund 12.400 Personen der Jahrgänge 1971 bis 1973, 1981 bis 1983 und 1991 bis 1993 zu ihren partnerschaftlichen und familiären Lebensformen befragt wurde. In die Untersuchung von Dorbritz und Naderi flossen die Ergebnisse der ersten beiden Erhebungen (Wellen) aus den Jahren 2008/2009 und 2009/2010 ein, wobei die jüngste Personengruppe aufgrund ihres Alters ausgeschlossen wurde. Ebenfalls unberücksichtigt blieben Paare, die bei der ersten Befragung noch kein Jahr zusammen waren oder im vorangegangenen Monat keinmal gemeinsam übernachtet hatten.
Abb. 1: Lebensformen der Befragten in den Altersgruppen 25-27 Jahre (Jahrgänge 1981-1983) und 35-37 Jahre (Jahrgänge 1971-1973) in Prozent. Stichprobengröße: 8.064. Quellen: pairfam, eigene Berechnungen.
Zunächst stellten Dorbritz und Naderi fest, dass bilokale Paarbeziehungen bei den 25- bis 27-Jährigen deutlich häufiger zu finden sind als bei den 35- bis 37-Jährigen (s. Abb. 1). Dies sei wenig überraschend, da junge Menschen in diesem Alter häufig noch in der Ausbildung seien oder bei den Eltern wohnten, urteilen die Demografen. Zudem seien die Partner vielfach noch in der Phase des Kennenlernens, weswegen eine gemeinsame Wohnung noch gar nicht angestrebt werde.
Auffallender waren die Ergebnisse zur Stabilität der Partnerschaften: Mehr als die Hälfte aller Paare, die bei der ersten Befragungswelle von pairfam in getrennten Wohnungen gelebt hatten, taten dies auch zum Zeitpunkt der zweiten Welle noch (s. Abb. 2). Ein knappes Drittel der Befragten beider Altersgruppen war inzwischen zusammengezogen, entweder unverheiratet oder als Ehepaar. Nur ein kleiner Teil der Paare hatte sich im Laufe des Jahres getrennt. „Berücksichtigt man die Tatsache, dass alle diese Beziehungen mindestens ein Jahr vor der ersten Befragungswelle bestanden, so scheint sich Bilokalität als auch eine länger anhaltende Lebensform für die betreffenden Personen darzustellen“, schreiben Dorbritz und Naderi. Dennoch weise der hohe Grad der Veränderung innerhalb eines Jahres auf die hohe Dynamik hin, die diese Lebensform kennzeichne. Die Forscher weisen aber ausdrücklich darauf hin, dass in ihrer Studie das Ende der bilokalen Paarbeziehung nur in wenigen Fällen mit einer Trennung vom Partner einherging.
Abb. 2: Das Balkendiagramm zeigt, inwieweit sich der Beziehungsstatus derjenigen Befragten, die bei der ersten Welle 2008/2009 in einer bilokalen Paarbeziehung lebten, zum Zeitpunkt der zweiten Welle 2009/2010 verändert hat. Quellen: pairfam, eigene Berechnungen.
Als eines der wichtigsten Ergebnisse ihrer Analyse nennen Dorbritz und Naderi die Beobachtung, dass sich der Charakter der bilokalen Partnerschaften in den betrachteten Altersgruppen erheblich unterscheidet. Die Forscher konnten zum Beispiel zeigen, dass bei den Jüngeren bilokale Paarbeziehungen nicht nur häufiger vorkommen, sondern auch mit möglichst viel gemeinsam verbrachter Zeit in beiden Wohnungen einhergehen. Deren Partnerschaften entsprechen offenbar häufig dem Konzept des „Living Apart Together“. Wie die Tabelle 1 zeigt, fördern die häufigen Treffen zwar zum einen die Bilokalität, schützen zum anderen jedoch die Partner auch vor der Trennung. Allerdings sind die separaten Wohnungen in diesem Alter wahrscheinlich vielfach ein unerwünschter Zustand, weswegen es häufiger als in der anderen Gruppe zum Zusammenzug oder, bei einem zu langen Anhalten der Bilokalität, zur Auflösung der Partnerschaft kommt.
In der zehn Jahre älteren Gruppe sind hingegen die „Long Distance Relationships“ häufiger vertreten. Es scheine sich bei diesen Fernbeziehungen jedoch ebenfalls oft um einen unerwünschten Zustand zu handeln, berichten Dorbritz und Naderi. Auffallend sei nämlich, dass weit voneinander entfernt liegende Wohnungen einen Zusammenzug des Paares deutlich begünstigten (s. Tab. 1). Das deutet den Demografen zufolge darauf hin, dass die Partner vornehmlich aufgrund ihrer beruflichen Situation getrennt voneinander wohnen und diesen Zustand ändern, sobald sie zwei adäquate näher zueinander gelegene Arbeitsplätze finden. Gleichzeitig gibt es offenbar, anders als bei den 25- bis 27-Jährigen, Hinweise darauf, dass die Paare weniger geneigt sind zusammenzuziehen, wenn der oder die Befragte in der Vergangenheit schon einmal mit einem Partner die Wohnung geteilt hat.
Tab. 1: Die Tabelle zeigt, wie sich verschiedene Faktoren auf die Stabilität bilokaler Paarbeziehungen auswirken. Werte über 1 deuten daraufhin, dass die Chancen für einen Zusammenzug beziehungsweise die Auflösung der Partnerschaft im Vergleich mit der Referenzgruppe (Ref.) steigen. Werte unter 1 bedeuten sinkende Chancen. Ein Sternchen hinter den Werten zeigt an, dass das Ergebnis hoch signifikant ist (p < 0,1%). Stichprobengröße: 350 Befragte zwischen 25 und 27 Jahren, 109 Befragte zwischen 35 und 37 Jahren. Quellen: pairfam, eigene Berechnungen.
Besonders auffällig sei in der Gruppe der älteren Studienteilnehmer, dass diese ihre Absicht, zusammenzuziehen oder auch nicht, deutlich häufiger in die Tat umsetzten als die zehn Jahre jüngeren Befragten, berichten die Forscher. Das deute auf ein gewisses Maß an Wahlfreiheit und eine besonders bewusst gestaltete Partnerschaftsform bei den 35- bis 37-Jährigen hin.
Dorbritz und Naderi betonen jedoch auch, dass ihre Ergebnisse derzeit nur vorläufiger Art seien. Von den nächsten Erhebungswellen der pairfam-Studie erwarten sie sich weitere Erkenntnisse darüber, wodurch die Stabilität bilokaler Paarbeziehungen beeinflusst wird. In ihren folgenden Analysen wollen sich die Forscher unter anderem mit dem Thema Elternschaft befassen. Bislang konnten sie nämlich nur feststellen, dass der Kinderwunsch bei getrennt lebenden Paaren im Vergleich zu anderen eher gering ausgeprägt ist.