ISSN 1613-8856

Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB)

Wohin wir wandern

2020 | Jahrgang 17 | 3. Quartal

Keywords: Binnenwanderung, Umverteilung der Bevölkerung, Bevölkerungsdichte, Deutschland, Suburbanisierung

Mitautor der wissenschaftlichen Studie: Nico Stawarz

Das zeigt eine Studie des Wiesbadener Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. Nico Stawarz und Nikola Sander untersuchen darin, wie sich die interne Migration zwischen 1991 bis 2017 entwickelt hat, wie effektiv sie war sowie in welchen Zeiträumen und für welche Bevölkerungsgruppen ländliche Gebiete, städtisches Umland oder Großstädte besonders attraktiv waren. 

Abbildung 1 zeigt die Ergebnisse nach der sogenannten BBSR-Typologie, die alle Kreise Deutschlands je nach Charakteristik in vier Kategorien einteilt – von dünn besiedelten ländlichen Kreisen bis hin zur Großstadt. Da diese amtliche Einteilung allerdings nicht immer die Bevölkerungsdichte präzise wiedergibt und etwa Städte wie Flensburg oder Bayreuth als ländliche Kreise definiert, nehmen Stawarz und Sander darüber hinaus eine eigene Einteilung aller 401 deutschen Kreise vor, die sich nach der Zahl der Einwohner pro Quadratkilometer richtet. 

Zu- und Abwanderung (netto) in verschiedene Raumtypen

Zu- und Abwanderung (netto) in verschiedene Raumtypen

Abb.1: Die Phasen der Zuwanderung in dicht besiedelte Gebiete (Großstädte) und eher dünn besiedelte Kreise zeichnen sich ganz deutlich ab. In jüngster Vergangenheit ist ein Trend zur Suburbanisierung zu erkennen, der vermutlich auch auf die hohen Mieten in den Städten zurückzuführen ist. Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistische Landesämter, BBSR

Die Ergebnisse sind hier etwas genauer, bestätigen aber im Wesentlichen Trends, die auch nach der BBSR-Einteilung zu sehen sind: Demnach gewinnen in den frühen neunziger Jahren tendenziell dichter besiedelte Regionen Einwohner hinzu. Die beiden Autoren der Studie führen das unter anderem darauf zurück, dass viele Menschen zu dieser Zeit ländliche Gebiete im Osten verlassen und in Städte Westdeutschlands ziehen. Die zweite Hälfte der 1990er Jahre schließlich ist durch die Suburbanisierung der Bevölkerung geprägt: Menschen zogen aus den großen Städten heraus ins Umland und in eher dünn besiedelte Kreise. 

Eine deutliche Veränderung der Migration schließlich findet um die Jahrtausendwende statt: Das Muster wechselt zurück zur Urbanisierung, das heißt große Städte gewinnen immer mehr an Attraktivität, während ländliche Kreise Bewohner verlieren. Ein wesentlicher Grund dafür ist die wirtschaftliche Attraktivität der Großstädte und die vielen verfügbaren Arbeitsplätze. Doch obwohl die wirtschaftliche Macht der Großstädte auch nach 2011 eher größer als kleiner wird, verliert die weitere Urbanisierung ab diesem Zeitpunkt deutlich an Fahrt und Regionen mit geringerer Bevölkerungsdichte erhalten wieder Zuwachs. Sander und Stawarz können in ihrer Studie zeigen, dass die erneute Suburbanisierung nach 2011 vor allem mit den hohen Mieten in den großen Städten zusammenhängt. Denn während es 2006 noch einen positiven Zusammenhang zwischen der Miethöhe und der Zuwanderung gab, zeigte sich im Jahr 2017 deutlich, dass Kreise mit einer Durchschnittsmiete von mehr als neun Euro pro Quadratmeter Einwohner verloren (s. Abb. 2). Ein ähnlicher Zusammenhang zeigt sich auch, wenn man auf das Pro-Kopf-Einkommen der Kreise und kreisfreien Städte schaut: Im Jahr 2006 fiel die Zuwanderung umso größer aus, je höher das Pro-Kopf-Einkommen einer Region war. Im Jahr 2016 war das Gegenteil der Fall. Eine hohe Arbeitslosigkeit dagegen führte sowohl 2006 als auch 2017 eher zur Abwanderung. 

Zu- und Abwanderung (netto) nach Durchschnittsmieten

Zu- und Abwanderung (netto) nach Durchschnittsmieten

Abb.2: Während die Kreise mit hohen Durchschnittsmieten im Jahr 2006 auch noch hohe Zuwanderungsraten verzeichneten, ist im Jahr 2017 das genaue Gegenteil der Fall. Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistische Landesämter, BBSR

Ein wesentlicher Treiber der internen Migration und vor allem des Zuzugs in die Städte sind junge Menschen im Alter von 18 bis 29 Jahren. Sie wechseln für Job, Studium oder Ausbildung besonders häufig den Wohnort und wandern in der Regel in dicht besiedelte Gebiete. Während junge Familien eher in dünner besiedelten Kreisen bleiben, aber in Urbanisierungsphasen auch Städte nicht verschmähen, ändern Menschen im Alter von 50 bis 64 Jahren nur selten ihren Wohnort. Und wenn sie es doch tun – dann meist in Richtung ländlicherer Gegenden. Dadurch werden die Städte insgesamt jünger, während ländliche Gebiete älter werden. 

Wie weit Menschen von ihrem ursprünglichen Wohnort wegziehen, unterscheidet sich in den einzelnen Phasen: In Zeiten der Urbanisierung werden generell größere Distanzen zurückgelegt – denn Menschen ziehen dann auch aus abgelegenen Regionen in die Metropolen. In Phasen der Suburbanisierung hingegen bleiben viele in der Nähe des ursprünglichen Wohnorts, suchen sich aber eventuell günstigere oder ruhigere Wohngegenden im Umfeld. Im Schnitt, so rechneten Stawarz und Sander aus, liegen 68 Kilometer zwischen altem und neuem Wohnort. 

Literatur

  • Stawarz, N.,N. Sander: The impact of internal migration on the spatial distribution of population in Germany over the period 1991-2017. Comparative Population Studies 44(2019), 291–316.
    DOI: 10.12765/CPoS-2020-06en

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Aus Ausgabe 2020/3

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