Obwohl die durchschnittliche Lebenserwartung im letzten Jahrhundert in den meisten westlichen Ländern erheblich gestiegen ist – dem Traum von der ewigen Jugend ist der Mensch damit kaum ein Stück näher gekommen. Denn das Altern schreitet nach wie vor unerbittlich voran: Ab etwa 35 Jahren verdoppelt sich die Sterblichkeit von Menschen alle sechs bis sieben Jahre. Das bedeutet: Die Sterblichkeit im Alter von 40 Jahren ist natürlich sehr viel niedriger als noch vor 100 Jahren. Genauso wie damals aber hat sie sich im Alter von 47 Jahren in etwa verdoppelt, mit 54 Jahren vervierfacht, um die 60 herum schließlich verachtfacht und so weiter. Man könnte auch sagen: Das Leben führt mit exponentiell steigender Wahrscheinlichkeit zum Tod.
Roland Rau von der Universität Rostock sowie Marcus Ebeling, Håkan Malmström, Anders Ahlbom und Katrin Modig vom Stockholmer Karolinska Institut gehen nun in einer neuen Studie der Frage nach, ob schwerwiegende Krankheiten diesen Alterungsprozess beschleunigen. Dafür haben sie die Geburtsjahrgänge von 1927 bis 1930 in Schweden untersucht und die Sterblichkeit der allgemeinen Bevölkerung mit der Sterblichkeit von Schwed*innen verglichen, die in ihrem 60. oder 70. Lebensjahr einen Herzinfarkt erlitten haben oder an Krebs erkrankt sind. Für Diabeteserkrankte griff das Forscherteam auf Daten aus dem Stockholmer Raum zurück, so dass hier nicht das ganze Land untersucht wurde. Erfasst wurde, wer vor dem 60./70. Lebensjahr an Diabetes erkrankte.
Bei allen drei Krankheiten ließ sich erwartungsgemäß beobachten, dass die Sterberaten bei den Betroffenen zunächst weitaus höher waren als die der übrigen Bevölkerung (s. Abb. 1). Deutlich wird aber auch, dass sich die Sterberaten nach diesem „Sprung“ weitestgehend parallel zur allgemeinen Sterberate entwickeln. Menschen, die einen Herzinfarkt erlitten haben oder an Diabetes erkrankt sind, haben eine ähnlich hohe Sterberate wie Menschen aus der übrigen Bevölkerung, die fünf bis sieben Jahre älter sind – und dieser Abstand bleibt relativ konstant auch in den Folgejahren. Je älter die Betroffenen bei der Diagnose sind, desto geringer ist dieser Abstand.
Entwicklung der Sterblichkeit nach Krankheiten
Abb. 1: Altersspezifische Sterblichkeit von Frauen und Männern in Schweden der Geburtsjahrgänge 1927–1930, die an einem Herzinfarkt oder Krebs im Alter 60 erkrankten bzw. bei denen bis einschließlich zum Alter 60 Diabetes diagnostiziert wurde. Im Vergleich dazu die altersspezifische Sterblichkeit von Frauen und Männern der Gesamtbevölkerung. Quelle: AMORIS, schwedische Bevölkerungsregister, eigene Berechnung
Bei Krebspatienten nähert sich die Sterblichkeit dagegen dem allgemeinen Level sogar wieder an: Eine Frau, die in ihrem 60. oder 70. Lebensjahr an Krebs erkrankt und bis zu ihrem 85. Lebensjahr überlebt, hat kein höheres Sterberisiko mehr als die übrige Bevölkerung.
Die untersuchten Krankheiten haben demnach keinen andauernden Effekt auf die Alterungsrate. Man kann sich das in etwa so vorstellen wie bei einer Sanduhr, die immer schneller durchläuft und unsere verbleibende Lebenszeit symbolisiert: Bekommen wir einen Herzinfarkt oder erkranken wir an Diabetes, ist das in etwa so, als würde jemand aus dem oberen Glas der Uhr einige Sandkörner herausnehmen. Die Geschwindigkeit, mit der der Sand durch das Glas läuft, ist aber die gleiche wie bei gesunden Menschen. „Das heißt, einige Bevölkerungsgruppen sind anfälliger als andere und haben daher eine höhere Sterblichkeit, der Effekt des Alters aber trifft alle gleich - es ist nur eine Frage der Zeit“, schreiben die Autor*innen hierzu.