Geht man davon aus, dass sich die Erkrankungsraten auf dem derzeitigen Stand fortsetzen, dann werden im Jahre 2060 Demenzen auch bei den Männern zur zweithäufigsten Krankheitsgruppe werden. Das schreiben Gabriele Doblhammer, Thomas Fritze, Constantin Reinke und Anne Fink von der Universität Rostock in ihrer Studie, für die sie auf Daten der Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes, der Human Mortality Database und der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) zurückgreifen konnten. Von der größten deutschen Krankenkasse konnten die Forscher*innen Angaben zu den genauen Erkrankungen von 250.000 zufällig gezogenen über 50-jährigen Versicherten verwenden, von denen knapp 30.000 in den beiden Untersuchungszeiträumen zwischen 2004 und 2007 sowie zwischen 2014 und 2017 verstarben. Als Krankheiten, die zum Todeszeitpunkt bestanden, wurden dabei diejenigen gewertet, die in den letzten zwei Jahren vor dem Tod diagnostiziert worden waren.
Top Five der häufigsten Erkrankungen am Lebensende
Abb. 1: Je nachdem, ob man aktuelle Erkrankungsraten zugrunde legt oder Trends der letzten Jahre fortschreibt, werden Demenzen oder Krebs zur häufigsten Erkrankung beim Todeszeitpunkt. Quelle: Statistisches Bundesamt, HMD, AOK, eigene Berechnungen
Dabei ging es den Autor*innen nicht um zugrunde liegende Todesursachen, deren genaue Feststellung und Dokumentation oft schwierig ist. Demenz-Patient*innen etwa sterben meist an Komplikationen oder Folgeerscheinungen der Erkrankung, so dass der Zusammenhang zwischen Demenzen und Tod oft uneindeutig bleibt. Gerade die hohen Kosten für die Pflege von Demenzerkrankten können aber durch möglichst präzise Projektionen besser vorausgesehen und abgeschätzt werden. Dass zunehmend Menschen zum Lebensende an Demenzen erkrankt sein werden, ist allein deshalb wahrscheinlich, weil die Alterung der Bevölkerung zunimmt und auch die Lebenserwartung steigt.
Tatsächlich zeigt die Studie, dass sich Demenzen vor allem bei den über 80-Jährigen bereits zu einer Art Volkskrankheit entwickelt haben und mehr als die Hälfte der Gestorbenen eine Demenzdiagnose vor ihrem Tod erhalten hatte. Gingen die Wissenschaftler*innen davon aus, dass die Erkrankungsraten konstant bleiben, dann wären Demenzen im Jahr 2060 auch bei den Männern über 70 Jahren die zweithäufigste Krankheit zum Todeszeitpunkt. Häufiger wären nur noch ischämische Herzerkrankungen (IHE), die z.B. zum Herzinfarkt führen können. Auf den Plätzen drei bis fünf würden bei den Männern zerebrovaskuläre Krankheiten (ZerVE) wie z.B. Schlaganfall, Krebs und chronisch-obstruktive Atemwegserkrankungen (COPD) folgen. Bei den Frauen wären die Demenzen immer noch die häufigste Erkrankung beim Todeszeitpunkt, gefolgt von ischämischen Herzerkrankungen. Auf Platz vier und fünf ständen beim konstanten Szenario Krebs und chronisch-obstruktive Atemwegserkrankungen.
Ganz anders aber sieht das Bild aus, wenn die Wissenschaftler*innen für ihre Projektionen nicht die aktuellen Erkrankungsraten verwendeten, sondern die Trends zugrunde legten, die sich in der Zeit zwischen 2004 und 2017 entwickelten. In diesem Zeitraum sind IHE zurückgegangen, Demenzen sowie Krebserkankungen angestiegen, und ZerVE sowie COPD entwickelten sich unterschiedlich für Männer und Frauen. Geht man davon aus, dass sich diese Trends bis zum Jahr 2060 fortsetzten, dann rückte der Krebs bei den Frauen von Platz fünf auf Platz eins der häufigsten Krankheiten am Lebensende. Demenzen ständen dann an Position zwei. Auch bei den Männern wären Krebserkrankungen in diesem Fall zum Todeszeitpunkt am häufigsten, IHE folgten an der zweiten, Demenzen an dritter Stelle. Der starke Anstieg der Krebserkrankungen ginge vor allem auf Lungen-, Brust-, und Pankreaskrebs bei Frauen, sowie Prostata-, Pankreas- und in einem geringeren Maße Lungenkrebs bei Männern zurück.