Die Covid-19-Pandemie hat uns ein Stück weit gezeigt, wie die Welt aussehen würde, wenn es keine zuverlässige Kinderbetreuung in Kita und Schule gäbe. Mit der Schließung von Schulen und Kitas fielen alle Betreuungsangebote weg, was vor allem Mütter zusätzlich belastete. In einer aktuellen Studie, die in der Fachzeitschrift „Demographic Research“ erschienen ist, haben die Forscherinnen Nicole Hiekel vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung und Mine Kühn von der Universität Tilburg (Niederlande) untersucht, wie sich die Kinderbetreuung während den pandemiebedingten Schul- und Kitaschließungen auf die mentale Gesundheit von Müttern und Vätern ausgewirkt hat.
Unterschiede in der psychischen Gesundheit
Abb.1: Die Art der Aufteilung elterlicher Kinderbetreuung während der Pandemie beeinflusste die psychische Gesundheit von Müttern und Vätern.
Eine wichtige Erkenntnis der Studie ist, dass ungleiche Betreuungsarrangements zwischen Müttern und Vätern mit geschlechtsspezifischen Ungleichheiten in der Gesundheit einhergehen. Die zahlenmäßig größte Gruppe unter all den untersuchten Gruppen ist die der Mütter, die sich sowohl vor als auch während der Pandemie hauptsächlich um die Kinder kümmerten. Der Umfang der Sorgearbeit ist während der Pandemie erheblich gestiegen. Mütter in diesem Betreuungsarrangement berichteten von einem erhöhten Level an Stress, Erschöpfung und Einsamkeit im Vergleich zu vor der Pandemie. Ähnlich erging es Müttern, die erst in der Pandemie den größten Anteil in der Betreuung der Kinder übernommen hatten. Väter in diesen Betreuungsarrangements hingegen verzeichneten in einigen Bereichen sogar eine Verbesserung ihrer mentalen Gesundheit und berichteten von weniger Stress, Erschöpfung und Einsamkeit. Dies könnte mit Veränderungen in ihrem beruflichen Alltag zusammenhängen, etwa dem Wegfall langer Arbeitswege oder der Möglichkeit, sich der Norm, Überstunden leisten zu müssen, besser zu entziehen, vermuten die Forscherinnen.
Die Gruppe der Eltern, die die Sorgearbeit vor und während der Pandemie gleichberechtigt verteilten, berichteten kaum Veränderungen ihrer mentalen Gesundheit. Ähnliches gilt für die ebenfalls kleine Gruppe, in der der Vater während der Kita- und Schulschließungen mehr Betreuung übernahm als vor der Pandemie. Dieses Ergebnis deute darauf hin, dass eine egalitär aufgeteilte Sorgearbeit dazu führt, dass sowohl Mütter als auch Väter trotz gewachsener Belastung widerstandsfähiger sind, so die Forscherinnen. Die Pandemie war also kein großer Gleichmacher in Bezug auf die Aufteilung der Betreuungsarbeit zwischen Frauen und Männern. Die starke geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktverhaltens und die vorherrschenden Geschlechternormen, die sich auch in der Zuweisung von Zuständigkeiten zur Kinderbetreuung ausdrücken, war laut den Forscherinnen kein guter Ausgangspunkt, um Sorgearbeit gerechter neu zu verhandeln. Die Folge ist eine stärkere gesundheitliche Belastung für Mütter, die bei der Bewältigung weggefallener Betreuungsangebote wenig oder keine Unterstützung ihrer Partner erfahren haben.
Auch nach der Pandemie bleiben viele Aspekte der Sorgearbeit ungleich verteilt. Der sich verschärfende Fachkräftemangel in Deutschland führt zu immer unzuverlässigeren institutionellen Kinderbetreuungsangeboten. Eine verlässliche Kinderbetreuung ist jedoch essenziell für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In dieser Sorgekrise werden Frauen die Leidtragenden sein, vermuten die Forscherinnen. Dies koste Frauen nicht nur Gesundheit, sondern gefährde auch die Errungenschaften hinsichtlich ihrer finanziellen Unabhängigkeiten, wenn sie gezwungen werden, sich vom Arbeitsmarkt weiter zurückzuziehen, um ausfallende institutionelle Kinderbetreuung aufzufangen. Mehr Gleichberechtigung innerhalb von Elternpaaren in der Sorgearbeit wäre ein Ansatz, um die Situation von Müttern zu verbessern. Gleichzeitig bedarf es einer strukturellen Unterstützung von Familien. Davon profitiert langfristig die gesamte Gesellschaft, schlussfolgern die Wissenschaftlerinnen.