Österreichische Akademie der Wissenschaften

Beruf und Familie immer noch schwer zu vereinbaren

2005 | Jahrgang 2 | 3. Quartal

Keywords: Frauenerwerbsquote, Ländervergleich, Geburtenrate

Wissenschaftliche Ansprechpartnerinnen: Henriette Engelhardt, Alexia Prskawetz

Allgemein wird in der ökonomischen, soziologischen und demografischen Literatur angenommen, dass eine Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen schwierig ist. Daher wird vermutet, dass sich Kinder und Erwerbsbeteiligung gegenseitig weitestgehend ausschließen und sich Frauen deshalb in der entsprechenden Lebensphase entweder für Kinder oder den Beruf entscheiden. 

Unzählige internationale Studien zur Erwerbsbeteiligung von Frauen belegen, dass Frauen mit Kindern im Durchschnitt eine geringere Arbeitsmarktbeteiligung aufweisen als kinderlose Frauen. Auf der gesellschaftlichen Ebene würde der Entscheidungsprozess für Kind oder Beruf dann zu einer negativen Beziehung zwischen der Frauenerwerbsquote und der Gesamtfertilitätsrate führen. Dabei gibt die Fertilitätsrate die nach Alter standardisierte Anzahl der Geburten je 1000 Frauen im gebärfähigen Alter von 14 bis 49 Jahren an. Die Frauenerwerbsquote ist definiert durch den Anteil Voll- und Teilzeit erwerbstätiger sowie arbeitsloser Frauen im Alter von 15 bis 64 Jahren an allen Frauen in diesem Alter. 

In den vergangenen Jahren wurde die bis dahin als Fakt gesehene negative Beziehung zwischen Fertilität und Frauenerwerbstätigkeit auf der Makroebene in der Fachliteratur wiederholt in Frage gestellt. Verschiedene Autoren zeigen, dass die jährliche Korrelation zwischen der Frauenerwerbsquote und der Gesamtfertilitätsrate in 22 OECD-Ländern Mitte der 1980er-Jahre einen Wechsel von einem negativen zu einem positiven Wert aufweist (vgl. Abbildung 1). Die bis dahin bekannte negative Beziehung scheint sich somit umgedreht zu haben: Die Länder mit niedrigem Geburtenniveau sind nun diejenigen mit einer geringen Frauenerwerbsquote, und die Länder mit einer relativ hohen Fertilität weisen eine hohe Erwerbsbeteiligung der Frauen auf. 

Abb. 1: Korrelation zwischen Fertilität und Frauenerwerbstätigkeit für 22 OECD-Länder, 1960 bis 2000

Jüngste Studien nutzen Zeitreihenmodelle für einzelne Länder bzw. Panel-Modelle für zusammengefasste Zeitreihen von Quer- und Längsschnittdaten. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen widersprechen allerdings anderen Befunden: Es zeigt sich, dass die negative Beziehung von Frauenerwerbstätigkeit und Fertilität über die Zeit erhalten bleibt. Zwar wird der negative Effekt über die Zeit abgeschwächt, dennoch bewirkt eine höhere Frauenerwerbstätigkeit weiterhin einen Rückgang der Kinderzahlen. 

Wie kommt es aber zu diesem Wechsel von einer negativen zu einer positiven Korrelation zwischen Frauenerwerbstätigkeit und Fertilitätsrate, den andere Studien fanden? Die Erklärung hierfür liegt zum einen in der Heterogenität der Länder, zum anderen gibt es zeit- und länderspezifische Unterschiede in der negativen Beziehung der beiden Faktoren. Zum Beispiel hatte Italien sowohl 1965 als auch 1995 eine geringere Frauenerwerbstätigkeit als Schweden (länderspezifische Heterogenität). Sowohl in Schweden als auch in Italien stieg die Erwerbsquote von 1965 bis 1995. Aber in Italien ging das Steigen der Erwerbsbeteiligung von Frauen mit einer stärkeren Reduktion der Geburtenzahlen einher als in Schweden (Unterschiede in der Beziehung der Variablen). 

Abbildung 2 berücksichtigt die zeit- und länderspezifischen Unterschiede. Zu sehen ist der Effekt einer Änderung der Frauenerwerbstätigkeit auf die Gesamtfertilitätsrate für verschiedene Regionen Europas im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte. Aus dieser Abbildung ist ersichtlich, dass einerseits die Streuung und andererseits das Ausmaß der negativen Beziehung von Frauenerwerbstätigkeit und Fertilität in den vorigen vier Dekaden abgenommen haben. 

Abb. 2: Effekt der Frauenerwerbstätigkeit auf die Gesamtfertilitätsrate für unterschiedliche regionale Ländergruppen

Dennoch unterscheiden sich die Ländergruppen voneinander: In der zentraleuropäischen Gruppe – Österreich, Deutschland und die Schweiz – sowie in den westeuropäischen Staaten – Frankreich, Belgien, Luxemburg und die Niederlande – stehen Geburtenzahlen und Frauenerwerbsrate in einem relativ schwachen Zusammenhang. Dieser lässt sich auf die relativ geringe Änderung in der Frauenerwerbstätigkeit dieser Länder bis in die 1970er-Jahre in Westeuropa und bis in die 1980er-Jahre in Zentraleuropa zurückführen. Zudem finden sich in dieser Gruppe Länder wie Frankreich, welche eine der höchsten Fertilitätsraten und Frauenerwerbstätigkeiten haben, wodurch der positive Zusammenhang erklärt werden kann. 

Die negative Auswirkung von Frauenerwerbstätigkeit auf die Fertilität ist für nicht-europäische Länder – Australien, Kanada, USA, Neuseeland und Japan – sowie für die restlichen untersuchten europäischen Länder – England, Irland und Dänemark – weit stärker ausgeprägt. Länder in diesen Gruppen haben einen der stärksten Anstiege der Frauenerwerbstätigkeit bei gleichzeitig starker Reduktion der Geburtenrate in den vorigen Dekaden. So waren in Kanada 1960 nur 30 Prozent der Frauen berufstätig, während sich dieser Anteil 2002 auf 70 Prozent erhöht hat. Im gleichen Zeitraum fiel die durchschnittliche Kinderzahl von 3,8 auf 1,6 Kinder pro Frau. 

Für die Gruppe der nordischen Länder – Finnland, Norwegen und Schweden – zeigt Abbildung 2 einen nicht-monotonen Verlauf, welcher das Auf und Ab der Geburtenzahlen in diesen Ländern, insbesondere Schweden, widerspiegelt („roller coaster“-Muster). Den Rückgang der Fertilität in den 1960er- und 1970er-Jahren begleitete ein Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit. Die weitere stetige Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit in den 1980er- und 1990er-Jahren ging mit einem Babyboom in den frühen 1990er-Jahren einher, welcher vor allem in Schweden deutlich ausgeprägt war. 

In Südeuropa – Griechenland, Spanien, Italien und Portugal – ist erwartungsgemäß einer der am stärksten negativen Einflüsse der Frauenerwerbstätigkeit auf die Fertilität zu beobachten. Dort folgte einem schwachen Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit einer der größten Rückgänge der Geburtenzahlen. Ende der 1990er-Jahre lagen die mittleren Geburtenzahlen bei fast nur 1,2 Kindern pro Frau, obwohl die Frauenerwerbstätigkeit mit 50 Prozent im Jahre 2002 im europäischen Vergleich relativ gering war. Eine Ausnahme ist Portugal, das stets eine der höchsten Erwerbsquoten für Frauen in der Gruppe der südeuropäischen Länder hatte und noch heute hat. 

Die regionalen Muster der Beziehung von Frauenerwerbstätigkeit und Geburtenraten im Zeitverlauf zeigen, dass für alle Länder Zuwächse in der Erwerbstätigkeit von Frauen mit einer Reduktion der Fertilität verbunden sind. Allerdings ist auch zu erkennen, dass weitere Anstiege in der Frauenerwerbsquote geringere negative Effekte auf die Fertilität ausüben. Während in südeuropäischen Ländern die negative Korrelation zwischen Frauenerwerbstätigkeit und Fertilität sehr ausgeprägt ist, ist diese in den skandinavischen und in nicht-europäischen Ländern geringer. Günstige institutionelle Rahmenbedingungen haben vor allem in Skandinavien die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen ermöglicht und unterstützt. In südeuropäischen Ländern fehlen diese Möglichkeiten großteils, wie sich etwa in der geringeren Flexibilität der Arbeitszeit und den geringen Wiedereinstiegschancen von Müttern nach der Babypause zeigt. Gleichzeitig sind diese Länder durch ein ausgeprägtes Wertesystem und soziale Normen gegenüber dem Gut „Familie“ geprägt. 

Eine Studie, die die Faktoren, welche die länderspezifische Heterogenität bewirken, detailliert untersucht, unterstreicht auch den Einfluss von verschiedenen ökonomischen, demografischen und sozialpolitischen Kennziffern auf die Geburtenrate. Dazu gehören Arbeitslosigkeit, Lohnentwicklung, Teilzeitarbeit, Heirats- und Scheidungsraten, Alter der Frau bei der Erstgeburt, Familienbeihilfe und Besuch einer Vorschule bzw. eines Kindergartens. Diese Faktoren wirken trotz unterschiedlicher Erwerbsquoten der Frauen in den jeweiligen Staaten auf die gleiche Art: Erhöhen sich die Werte dieser Faktoren, sinken die Geburtenzahlen. Offensichtlich hat jedoch die Änderung dieser Variablen im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte einen stärker negativen Effekt auf die Fertilität in den Ländern mit geringer Frauenerwerbstätigkeit (Südeuropa) als in den Staaten mit vergleichsweise hoher Erwerbsquote der Frauen. Ein Grund dafür ist offenbar, dass in den südeuropäischen Ländern (noch) starke Familienwerte und soziale Normen dominieren, die die Frau als Hauptverantwortliche in der Kindererziehung sehen.

Literatur

  • Engelhardt, H. and A. Prskawetz: A Pooled Time-Series Analysis on the Relation Between Fertility and Female Employment. Vienna Institute of Demography, Vienna 2005, 36 p. (European demographic research paper; 1).
  • Engelhardt, H., T. Kögel and A. Prskawetz: Fertility and women’s employment reconsidered: a macro-level time series analysis for developed countries, 1960-2000. Population Studies 58(2004)1: 109-120.
  • Engelhardt, H. and A. Prskawetz: On the changing correlation between fertility and female employment: over space and time. European Journal of Population 20(2004)1: 35-62.

Aus Ausgabe 2005/3

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