ISSN 1613-8856

Max-Planck-Institut für demografische Forschung

Räumliche Mobilität hat ihren Preis

2006 | Jahrgang 3 | 3. Quartal

Keywords: Österreich, Partnerschaftsstabilität, Residenzielle Mobilität

Paul J. Boyle und Hill Kulu

Wie viele andere Industrienationen verzeichnete Österreich im Laufe des 20. Jahrhunderts einen Anstieg der Zahl geschiedener Ehen. Ungefähr ein Viertel aller Verbindungen scheitert im Laufe der ersten 15 Jahre. Mit dieser Scheidungsrate liegt das Land gegenwärtig im europäischen Mittelfeld. Doch warum trennen sich Paare? Welche Faktoren führen zu einem erhöhten Scheidungsrisiko? 

Eine Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung, Rostock, sowie den Universitäten St. Andrews und Stirling (Schottland), Amsterdam (Niederlande) sowie Connecticut (USA), bereichert die Suche nach Gründen für einen negativen Partnerschaftsverlauf um einen neuen Aspekt: Wie wirkt sich das Umzugsverhalten österreichischer Paare auf die Stabilität ihrer Beziehung aus? 

Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, dass nicht nur die Anzahl gemeinsam erfahrener Umzüge eine große Rolle spielt, sondern auch, ob das Paar in der Nähe verbleibt oder neu in der Ferne anfängt. Ziehen Partner einmalig innerhalb derselben Stadt oder desselben Landkreises um, ist ihr Zusammenhalt sogar gestärkt: Sie trennen sich um 25 Prozent seltener als Paare, die ihren Wohnort nicht verlassen haben (siehe Tabelle 1; Berechnungsbeispiel: (0,75-1)*100%=-25%). Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass der gemeinsame Umzug vor Ort allgemein mit einem Zugewinn an Lebensqualität einhergeht und als erfreuliches Erlebnis empfunden wird, das die Bindung zwischen den Partnern festigt. 

Tab. 1: Trennungsrisiko nach Umzug, im Vergleich zu Paaren ohne Umzug. Quelle: Österreichischer Familien- und Fertilitätssurvey, eigene Berechungen (Stichprobe: 3118 Frauen); standardisiert nach sozio-demografischen Faktoren, *statistisch signifikant.

Verlegt ein Paar seinen Wohnsitz erstmalig gemeinsam in eine andere Stadt oder in einen anderen Kreis, hat dies keinen erkennbaren Einfluss auf das Trennungsrisiko. Die gewohnte Umgebung hinter sich zu lassen, mag zwar Stress bedeuten, allerdings wird vermutlich – gerade in jungen Jahren – ein Neuanfang in der Ferne auch als aufregende und interessante Erfahrung verstanden. 

Bei weiteren Umzügen scheint allerdings die „aufregende Erfahrung“ kaum noch eine Rolle zu spielen; vielmehr sind diese der Partnerschaft weniger zuträglich. So erhöht schon ein zweiter Umzug innerhalb eines Bezirkes die Wahrscheinlichkeit einer Trennung um 32 Prozent im Vergleich zu Paaren, die ihre Wohnung nie gewechselt haben. Bei Umzügen über große Entfernungen steht noch mehr auf dem Spiel: Ein Paar, das mindestens zweimal den Wohnort gewechselt hat, trennt sich 2,6- Mal häufiger als sesshafte Partner (siehe Tabelle 1). 

Forschungsergebnisse aus verschiedenen Ländern deuten seit langem darauf hin, dass Frau und Mann bei einem Wegzug aus dem vertrauten Umfeld einen unterschiedlichen Preis zahlen: Meist ist ein Wechsel des Wohnortes der Karriere des Mannes förderlich. Für die Partnerin führt er jedoch eher zu beruflichen Nachteilen; sie findet seltener Arbeit, und wenn, dann muss sie mit einem geringerem Einkommen und weniger Arbeitsstunden rechnen als vergleichbar qualifizierte Frauen. Stellt eine Frau mehr als einmal ihre eigenen beruflichen Ambitionen hinter die ihres Partners zum Wohlergehen der Familie zurück, kann dies zu einem hohen Maß an Unzufriedenheit in der Partnerschaftsbeziehung und in Folge zu einem deutlich gestiegenen Trennungsrisiko führen, lässt sich mutmaßen.

Schwieriger zu deuten ist es, warum sich Ehepaare und Lebensgemeinschaften in Österreich auch dann häufiger trennen, wenn sie mehrfach vor Ort umziehen. Möglicherweise haben Frauen in dieser Situation zwar keine Nachteile im Beruf; eine Partnerschaft kann aber dadurch beeinträchtigt werden, dass der Großteil der Arbeit und Organisation, die mit jedem dieser Umzüge entstehen, auf ihren Schultern lastet. 

Neben der Anzahl der Umzüge und der Entfernung, die den neuen und alten Wohnort voneinander trennt, ist es für die Stabilität einer Partnerschaft aber auch von großer Bedeutung, ob das Paar in der Stadt oder auf dem Land lebt. Verlegen Frau und Mann ihren Lebensmittelpunkt vom Land in die Stadt (umfasst in der vorliegenden Studie alle Wohnbezirke mit über 50.000 Einwohnern), so trennen sie sich häufiger als sesshafte Bewohner ländlicher Gegenden, aber seltener als Städter, die nie vor Ort umgezogen sind. Sehr positiv wirkt sich ein einmaliger Umzug von der Stadt in ländliche Bereiche aus: Diese Paare haben ein 44 Prozent niedrigeres Trennungsrisiko als Partner, die ihre Stadt niemals verlassen haben. Dies liegt offenbar daran, dass mit dem Wegzug aus urbanen Zentren häufig die Wohn- und Lebensqualität insgesamt steigt. Auch ist das Häuschen im Grünen wohl für viele Paare ein lang gehegter Wunsch, dessen Erfüllung ihren Bund stärken kann.

Literatur

  • Boyle, P.J., H. Kulu, T. Cooke, V. Gayle and C.H. Mulder: The effect of moving on union dissolution. Max Planck Institute for Demographic Research, Rostock 2006 (MPIDR working paper; WP-2006-002).

Aus Ausgabe 2006/3

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