ISSN 1613-8856

Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels

Die Kinder der Anderen

2012 | Jahrgang 9 | 3. Quartal

Keywords: Familienförderung, Umlagefinanzierte Rente, Kindergeld, Externalitäten

Wissenschaftlicher Ansprechpartner: Robert Fenge

Für die Rentenkasse einer alternden Gesellschaft sind Kinder ein Segen, für die Haushaltskasse ihrer Eltern eher ein Kostenfaktor. Denn während die Familien für Erziehung und Ausbildung ihres Nachwuchses allein aufkommen müssen, werden die späteren Rentenbeiträge der Kinder an alle Ruheständler ausgezahlt. War der Nachwuchs früher für die Eltern eine Art Versicherung gegen die Altersarmut, so sorgt das Rentensystem von heute dafür, dass die Kinder der anderen für alle gleichermaßen zahlen. 

An Reformvorschlägen, wie dieses Ungleichgewicht zwischen kinderlosen Erwerbstätigen und Familien behoben und gleichzeitig dem Schwund zukünftiger Beitragszahler entgegen gewirkt werden könnte (s. Abb. 1), mangelt es derweil nicht. Sowohl ein höheres Kindergeld als auch eine kinderabhängige Rente, die umso stärker steigt, je mehr Nachkommen ein Rentner hat, können die Familien entlasten. Robert Fenge, Finanzwissenschaftler an der Universität Rostock und Forschungsgruppenleiter am Rostocker Zentrum zur Erforschung des demografischen Wandels, hat in einer Studie untersucht, ob beide Instrumente das Gleiche leisten und sinnvolle Anreize für höhere Geburtenraten setzen können. 

Abb. 1: Auf eine große Zahl an Rentnern kommen immer weniger Beitragszahler: Der hier abgebildete Altenquotient gibt an, wie viele über 65-Jährige auf 100 Menschen im Alter von 20 bis 64 kommen. Der prognostizierte blaue Verlauf beruht auf der 12. Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes (Szenario 1-W1). Quelle: HMD, Statistisches Bundesamt.

Die Summe, die Eltern über das Kindergeld oder die kinderabhängige Rente ausgezahlt würde, müsste dem zukünftigen Rentenbeitrag ihrer Kinder entsprechen – ein Betrag, der das heutige Kindergeld bei Weitem übersteigt und zu Verzerrungen am Arbeitsmarkt führen würde. Denn um einen Anstieg des Kindergeldes finanzieren zu können, wären weitere Steuern notwendig. Vom Nettolohn bliebe so weniger übrig, oder ganz einfach gesagt: Arbeit würde sich weniger lohnen, das Angebot an Arbeitskräften würde sinken. Wenn aber weniger gearbeitet wird, wird auch weniger in die Rentenkasse eingezahlt. Die Anreize für ein Kind steigen, die Arbeitsanreize sinken. 

Die kinderabhängige Rente dagegen würde in die bestehende Rentenversicherung integriert werden. Aber auch hier, so schreibt Robert Fenge, greift eine versteckte, so genannte implizite Steuer. Denn das Geld, das Erwerbstätige in die Rentenversicherung einzahlen, könnte am Kapitalmarkt eine viel höhere Rendite erzielen. Wie stark es sich im Rentensystem verzinst, hängt dagegen davon ab, wie hoch die Löhne der nachkommenden Generation und wie zahlreich die Beitragszahler sind. Die Wachstumsrate dieser Lohnsumme ist in der Regel deutlich geringer als die Rendite, die mit den Rentenbeiträgen am Kapitalmarkt erzielt werden könnte. 

Ob und wie stark diese implizite Steuer durch die Einführung einer kinderabhängigen Rente steigt, hängt von der Art des Rentensystems ab. Robert Fenge geht in seiner Studie auf zwei der wichtigsten ein: Das so genannte umlagefinanzierte System, bei dem die Summe der späteren Rente von der Höhe der eingezahlten Beiträge abhängt, und die Pauschalrente, bei der allen Versicherten im Ruhestand der gleiche Betrag ausgezahlt wird. 

Das umlagefinanzierte System, wie es in Deutschland existiert, würde sich durch die Einführung einer kinderabhängigen Rente in einem wesentlichen Punkt ändern: Die Zahlungen, die Rentner bekommen würden, wären nicht mehr allein von ihren Beitragspunkten abhängig, sondern auch von der Anzahl ihrer Kinder. Dadurch steigt die implizite Steuer. Denn die Versicherten bekämen für ihre eingezahlten und durch ihre Arbeit erzielten Beiträge noch weniger Rente ausgezahlt, der Unterschied zwischen der Rendite am Kapitalmarkt und der Rendite der Rentenbeiträge wäre noch höher. 

Im Ergebnis, so hat Robert Fenge berechnet, sind diese negativen Effekte von Kindergeld und Kinderrente auf das Arbeitsangebot und die Arbeitsanreize gleich hoch, so dass beide familienpolitischen Instrumente das Gleiche leisten können. 

Ganz anders sieht das bei dem zweiten untersuchten Rentensystem aus: Wenn die Rente pauschal, also unabhängig von den Beiträgen ausgezahlt wird, dann führt lediglich das Kindergeld zu einem Anstieg der Steuerbelastung. Denn bei Pauschalrenten werden ohnehin die gesamten Beiträge als implizite Steuern wahrgenommen. Eine kinderabhängige Rente, die aus diesen Beiträgen finanziert wird, erhöht die Steuer auf das Arbeitseinkommen nicht und verzerrt deshalb auch nicht zusätzlich die Arbeitsanreize. Das heißt, sobald Pauschalelemente wie Mindestrenten oder eine Grundsicherung in der Rentenformel enthalten sind, können Familien mit kinderabhängigen Renten besser gefördert werden als mit Kindergeld, da sie keine zusätzliche Steuerfinanzierung erfordern.

Literatur

  • Fenge, R. and V. Meier: Are familiy allowances and fertility-related pensions perfect substitutes? International Tax and Public Finance 16(2009)2: 137-163.

Aus Ausgabe 2012/3

Artikel

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