ISSN 1613-8856

Vienna Institute of Demography

Eins ist besser als keins

2013 | Jahrgang 10 | 4. Quartal

Keywords: Kinderwunsch, Familienplanung, Partnerschaftskonflikt, Väterliche Kinderbetreuung, Heterosexuelle Paare, Verhütungsverhalten

Autorin der wissenschaftlichen Studie: Maria Rita Testa

Wünscht sich einer der Partner ein Kind, der andere hingegen nicht, fällt es vielen Paaren schwer, sich zu einigen. Doch wie gehen sie mit diesem Konflikt um? Wer setzt sich häufiger durch: der Partner, der ein Baby haben möchte, oder der, der keins bekommen will? Und wovon hängt die Entscheidung für oder gegen ein Kind ab? Spielt es eine Rolle, ob das Paar bereits Kinder hat? Oder ob sich beide Partner gleichermaßen um den Nachwuchs kümmern? Und verhütet ein Paar, das sich beim Thema Kinderwunsch uneinig ist?   

All diesen Fragen ist Maria Rita Testa vom Vienna Institute of Demography nachgegangen. Für ihre Studie analysierte die italienische Demografin die Ergebnisse der Umfrage „Familienentwicklung in Österreich“ aus dem Jahr 2008.  Statistik Austria hatte hierzu im Rahmen des europäischen „Generations and Gender Survey“ rund 5.000 österreichische Frauen und Männer zwischen 18 und 45 Jahren zum Thema Kinderwunsch befragt.   

Die wichtigste Beobachtung, die Testa gemacht hat, ist folgende: Ob ein Paar, das sich in dieser Hinsicht uneins ist, eine Schwangerschaft plant oder nicht, hängt stark davon ab, ob es bereits Kinder hat. Bei kinderlosen Paaren fällt die Entscheidung öfter zugunsten des Partners aus, der sich ein Baby wünscht. Hat das Paar bereits Nachwuchs, und sei es auch nur ein einziges Kind, setzt sich hingegen häufiger derjenige Partner durch, der keine Kinder mehr haben möchte. Dabei spielt es durchaus eine Rolle, wie stark die Väter an der Betreuung ihrer Kinder beteiligt sind: Widmen sie ihrem Nachwuchs viel Zeit, entscheiden sich die Paare häufiger für ein weiteres Baby, als wenn sich vorrangig die Mütter um die Kinder kümmern. 

Für ihre Studie verwendete Testa die Aussagen von 3.280 Befragten. Sie alle lebten zum Zeitpunkt des Interviews in einer heterosexuellen Partnerschaft und waren prinzipiell in der Lage, ein Kind zu zeugen oder zu empfangen. Alle Beteiligten hatten zunächst angegeben, ob sie beziehungsweise ihr Partner sich derzeit (noch) ein Kind wünschen. Als nächstes wurden sie gefragt, ob sie beabsichtigen, innerhalb der nächsten drei Jahre (noch) ein Kind zu bekommen. Zusätzlich sollten sie sagen, ob sie derzeit verhüten oder nicht. Bei allen Probanden war zudem bekannt, ob und wie viele Kinder sie bereits haben. Auch verschiedene andere Parameter flossen in die Analyse ein – etwa die Ausbildung der Befragten, die Höhe ihres Einkommens sowie das Ausmaß, mit dem sich beide Partner an der Betreuung bereits vorhandener Kinder beteiligen. 

Immerhin 87 Prozent der Befragten gaben an, sich mit ihrem Partner einig zu sein: 76 Prozent wünschten sich ein (weiteres) Kind; für 11 Prozent war die Familienplanung abgeschlossen. 13 Prozent der Befragten waren sich mit ihrem Partner jedoch uneinig. 6 Prozent gaben an, anders als der Partner (noch) ein Kind haben zu wollen; bei den restlichen 7 Prozent war es umgekehrt. „Ob ein Befragter dann tatsächlich plant, innerhalb der nächsten drei Jahre ein Kind zu bekommen, hängt deutlich mehr von den eigenen Wünschen als von denen des Partners ab“, sagt Testa (s. Abb. 1). „Insbesondere Frauen, die noch keine Kinder haben, scheinen sich eher über die Wünsche ihres Partners hinwegsetzen zu wollen als Männer, die sich – anders als ihre Partnerin – ein Kind wünschen.“

Abb. 1: Das Säulendiagramm zeigt den prozentualen Anteil der Befragten (B), die planen, innerhalb der nächsten drei Jahre ein Kind zu bekommen – abhängig davon, ob sie selbst beziehungsweise der Partner / die Partnerin (P) sich momentan ein Kind wünschen. Unterschieden wird nach kinderlosen Paaren und Eltern. Stichprobengröße: 3.280 (1.354 Befragte ohne Kind, 1.926 Befragte mit Kind/ern). Quelle: Umfrage „Familienentwicklung in Österreich“, eigene Berechnungen.

Keine Rolle im dem Entscheidungsprozess für oder gegen ein (weiteres) Kind scheint hingegen der sozioökonomische Status der Beteiligten zu spielen. „Ich war eigentlich davon ausgegangen, dass vermehrt diejenigen Frauen und Männer planen, ihren Kinderwunsch auch in die Tat umzusetzen, die eine bessere Ausbildung oder ein höheres Einkommen als ihre Partner haben“, sagt Testa. „Meine Ergebnisse konnten diese Hypothese allerdings nicht bestätigen.“

Die bloße Absicht der Befragten, auch gegen den Wunsch des Partners ein Kind zu bekommen, bedeutet jedoch nicht, dass sie tatsächlich aufhören zu verhüten: Der Anteil an Paaren, die nicht verhüten, ist nur bei denen groß, die sich übereinstimmend ein Baby wünschen. In dieser Gruppe sind es bei den kinderlosen Paaren 68 Prozent und bei den Eltern 66 Prozent. In allen anderen Gruppen liegt der Anteil an nicht verhütenden Paaren zwischen 10 und 34 Prozent (s. Abb. 2).  

Abb. 2: Das Säulendiagramm zeigt den prozentualen Anteil der Befragten (B), die nach eigener Aussage derzeit nicht verhüten – abhängig davon, ob sie selbst beziehungsweise der Partner / die Partnerin (P) sich momentan ein Kind wünschen. Unterschieden wird nach kinderlosen Paaren und Eltern. Stichprobengröße: 3.280 (1.354 Befragte ohne Kind, 1.926 Befragte mit Kind/ern). Quelle: Umfrage „Familienentwicklung in Österreich“, eigene Berechnungen.

„Interessant dabei ist, dass der gemeinsame Wunsch nach einem Kind viel eher dazu führt, dass ein Paar nicht mehr verhütet, als die feste Absicht eines Einzelnen, innerhalb der nächsten drei Jahre ein Kind zu bekommen“, sagt Testa. Womöglich, so spekuliert die Demografin, wollten diejenigen, die den Kinderwunsch haben, ihre Partner erst von den Vorteilen eines (weiteren) Babys überzeugen, bevor sie das Risiko einer Schwangerschaft eingingen.

Literatur

  • Testa, M. R.: Couple disagreement about short-term fertility desires in Austria: effects on intentions and contraceptive behaviour. Demographic Research 26(2012)3, 63-98.
    DOI: 10.4054/DemRes.2012.26.3

Aus Ausgabe 2013/4

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