Von 2005 bis 2012 hat sich die Zahl der Arbeitsmigranten, die jährlich nach Deutschland kommen, mehr als verdoppelt. Doch gerade einmal jeder Fünfte der zuletzt 40.000 Einwanderer gibt an, für immer in Deutschland leben zu wollen, schreiben Andreas Ette und Lenore Sauer vom Wiesbadener Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung sowie Barbara Heß vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in einer aktuellen Studie. Sie stützen sich dabei auf weit über 2000 Interviews, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zwischen 2008 und 2011 mit Migranten aus Nicht-EU-Ländern geführt wurden (s. Infokasten).
Ganz generell steigt die Wahrscheinlichkeit für einen permanenten Aufenthalt mit jedem Lebensjahr und vor allem mit jedem Jahr, welches die Migranten bereits in Deutschland verbracht haben. Doch was bewegt die Menschen dazu, in Deutschland zu bleiben? Das Einkommen? Das soziale Umfeld? Ein sicherer Aufenthaltsstatus? Um dies herauszufinden, analysierten die Wissenschaftler, wie sich verschiedene wirtschaftliche, soziokulturelle oder institutionelle Merkmale auf die beabsichtigte Dauer des Aufenthaltes auswirkten.
Bei möglichen wirtschaftlichen Motiven für einen permanenten Aufenthalt scheint es auf den ersten Blick naheliegend zu sein, dass ein hoher Verdienst auch den Anreiz für einen permanenten Aufenthalt steigert. Tatsächlich aber ist das Gegenteil der Fall (s. Abb. 1): Bei Migranten mit einem hohen Einkommen ist es im Vergleich zu weniger gut verdienenden Einwanderern viel wahrscheinlicher, dass sie irgendwann wieder auswandern. Das gleiche gilt für Migranten mit einem hohen Bildungsniveau. Die am besten ausgebildeten und zumeist sehr gut verdienenden Menschen, schlussfolgern Ette, Sauer und Heß, gehörten zu einer sehr mobilen und flexiblen Schicht, die persönlich von einem globalisierten Arbeitsmarkt profitieren können, sich aber selten für eine permanente Auswanderung aus ihrem Herkunftsland entscheiden.
Abb. 1: Positive Werte zeigen an, dass die Wahrscheinlichkeit für einen dauerhaften Aufenthalt steigt. Negative Werte kennzeichnen eine entsprechend geringere Chance hierfür. Quelle: Surveys zu Arbeitmigranten des BAMF, eigene Berechnungen.
Das gilt jedoch vor allem für Migranten, die aus westlichen Industrienationen wie den USA, Kanada oder Australien stammen. So konnte für Einwanderer, die z.B. aus Russland, China oder anderen Drittländern kommen, kein negativer Zusammenhang zwischen einem hohen Verdienst und Bleibeabsichten festgestellt werden (s. Abb. 1). Auch bei der Frage, wie sich verschiedene soziale und kulturelle Möglichkeiten auswirken, zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Migranten aus westlichen Industrienationen und Einwanderern aus den übrigen Drittländern: Während gute oder sehr gute Deutschkenntnisse für beide Gruppen die Wahrscheinlichkeit für einen permanenten Aufenthalt deutlich steigert, ist ein in Deutschland lebender Partner nur für Migranten aus Drittländern ein Grund, in Deutschland zu bleiben.
Ähnliches gilt für die institutionellen Bedingungen: Erhält ein Migrant aus einem Drittland statt einer temporären eine permanente Aufenthaltsgenehmigung, ist es doppelt so wahrscheinlich, dass er dauerhaft in Deutschland bleibt. Bei Migranten aus westlichen Industrienationen zeigt sich dieser Zusammenhang nicht.
Überhaupt ist die Chance, dass ein Migrant aus diesen Ländern permanent in Deutschland bleibt, relativ gering: Nehmen wir zum Beispiel einen Mann im Alter von 35 Jahren mit einem mittleren Einkommen und mittleren Deutschkenntnissen, der bereits seit zwei Jahren in Deutschland lebt. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser nicht irgendwann wieder in sein Herkunftsland zurückkehrt, liegt lediglich bei zehn Prozent. Kommt dieser Migrant jedoch aus einem der übrigen Drittländer, hat eine permanente Aufenthaltsgenehmigung und einen Partner in Deutschland, der ebenfalls gute Chancen am Arbeitsmarkt hat, dann steigt die Wahrscheinlichkeit für einen permanenten Aufenthalt auf 50 Prozent. Hier, so bilanzieren die Autoren, liegen die Stellschrauben für die Politik, um bereits eingewanderte Menschen auch zum Bleiben zu bewegen: Der Erwerb der Sprache sollte gefördert, ein transparenter Weg zu einer permanenten Aufenthaltsgenehmigung aufgezeigt und Möglichkeiten für eine erfolgreiche Familienzusammenführung geschaffen werden.