ISSN 1613-8856

Vienna Institute of Demography

Von Mutter zu Mutter

2017 | Jahrgang 14 | 1. Quartal

Keywords: Bildung, Fertilitätsabsichten, Intergenerationelle Werte

Mitautorin der wissenschaftlichen Studie: Maria Rita Testa

Mütter sind im Kindesalter oft das Vorbild schlechthin und im Jugendalter ebenso häufig ein abschreckendes Beispiel dafür, wie man später auf gar keinen Fall sein möchte. Doch welche Rolle spielt sie für die Tochter, wenn diese im jungen Erwachsenenalter eine eigene Familie gründen will? Eine nicht unerhebliche, wie Maria Rita Testa vom Vienna Institute of Demography gemeinsam mit drei weiteren Kollegen herausgefunden hat. Sie haben Daten von gut 12.000 Frauen im Alter von 18 bis 49 Jahren ausgewertet. Die Befragten aus vier europäischen Ländern gaben im Rahmen des Generation and Gender surveys (GGS) nicht nur über den eigenen sozioökonomischen Status, sondern auch über den ihrer Mütter Auskunft. Tatsächlich zeigte sich dabei, dass es einen starken Zusammenhang zwischen der selbst erlebten Familie und der gewünschten Familie bei den Frauen gibt – und zwar in allen vier Ländern, die Gegenstand der Analyse waren. Mit Österreich, Bulgarien, Norwegen und Italien hatten die Wissenschaftler vier Länder mit sehr unterschiedlichen Geburtenraten, Wohlfahrtstaatsmodellen, Rollenbildern und unterschiedlich starker Einbindung der Frauen in den Arbeitsmarkt ausgewählt. So konnten sie ihre Grundannahme, dass sich eine hohe Bildung und eine Erwerbstätigkeit der Mutter positiv auf den Kinderwunsch der Tochter auswirkt, auf breiter Basis prüfen. 

Maria Rita Testa und ihre Kollegen verwendeten ein so genanntes „Zero-inflated poisson Modell“, um unter der Berücksichtigung von verschiedenen Merkmalen, wie Alter, Familienstatus und Beschäftigungsstatus die Chancen zu berechnen, dass sich Frauen ein (weiteres) Kind wünschen und wie viele sie sich im Schnitt wünschen. 

Abb. 1: Nicht nur die Bildung der befragten Frauen selbst, sondern auch die Bildung ihrer Mutter hat einen Einfluss darauf, wie groß die Wunschfamilie ist. Quelle: GGS, eigene Berechnungen

Dabei zeigte sich, dass die Zahl der Geschwister einen großen Einfluss darauf hat, wie viele Kinder eine Frau selbst haben möchte. Hatte die eigene Mutter drei Kinder oder mehr bekommen – waren also zwei Geschwister da – so wünschten sich die Töchter zwar nicht häufiger als andere Befragte Kinder, aber sie wünschten mehr Kinder als der Durchschnitt. Ein Effekt, der schon häufiger festgestellt wurde und der hier vor allem bei den noch kinderlosen Frauen stark ausgeprägt war. Für Frauen, die zum Zeitpunkt der Befragung bereits ein Kind hatten, ist anscheinend die Elternerfahrung wichtiger als die Erfahrungen aus der eigenen Kindheit oder Jugend. Hier zeigte sich ein anderer, bisher kaum beschriebener Zusammenhang mit dem Leben der Mutter: Denn die Wahrscheinlichkeit, dass die Befragten sich ein weiteres Kind wünschten, sowie die durchschnittliche Anzahl der gewünschten Kinder, war größer, wenn die „Oma“ dieser Wunschkinder eine hohe Bildung hatte (s. Abb. 1 b+d). Oder anders formuliert: Hat eine Frau eine hohe Bildung, so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Tochter sich mindestens zwei Kinder wünscht. Darüber hinaus hatte auch die eigene Bildung einen positiven, wenn auch einen statistisch weniger bedeutenden Effekt auf die Wahrscheinlichkeit, dass ein (weiteres) Kind gewünscht wird (s. Abb. 1a+c). Die Frage, ob die Mutter in den eigenen Jugendjahren erwerbstätig war, hatte entgegen der ersten Annahme jedoch keinen Einfluss auf den späteren Kinderwunsch. 

Der positive Zusammenhang zwischen hoher Bildung und dem Wunsch nach Kindern steht im Widerspruch zu bisherigen Studien, die bei Frauen mit hoher Bildung eine niedrigere Geburtenrate festgestellt haben. Eine mögliche Erklärung für den positiven Zusammenhang von Bildung und Kinderwunsch sehen die Autoren in dem besseren sozioökonomischen Status, der es den Befragten eher erlaubt, die zeitlichen und finanziellen Ressourcen für ein (weiteres) Kind aufzubringen. 

Literatur

  • Testa, M. R., V. Bordone, B. Osiewalska, V. Skirbekk: Are daughters’ childbearing intentions their mothers’ socio-economic status? Demographic Research 35(2016)21, 581-616.
    DOI: 10.4054/DemRes.2016.35.21

Aus Ausgabe 2017/1

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