ISSN 1613-8856

Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels

Regionale Geburtenraten in Europa

2020 | Jahrgang 17 | 2. Quartal

Keywords: Europa, NUTS 3, Räumliches LAG-Modell, Räumliche Regression, Räumliche Variation

Mitautor der wissenschaftlichen Studie: Nicholas Campisi

Die Analyse zeigt darüber hinaus auf, dass das Niveau der Geburtenraten in den Regionen auch mit dem Pro-Kopf-Einkommen und der Scheidungsrate zusammenhängt. Es sind also sowohl ökonomische als auch sozio-kulturelle und regionale Faktoren entscheidend, zeigen Nicholas Campisi und Mikko Myrskylä vom Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels sowie Hill Kulu und Julia Mikolai von der St. Andrews University und Sebastian Klüsener vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. 

Für ihre Untersuchung griffen die Demografen auf Daten aus den so genannten NUTS3-Regionen zurück. Diese Unterteilung greift oft nationale Verwaltungseinheiten auf und umfasst Gebiete mit 150.000 bis 800.000 Einwohnern. Während etwa Luxemburg nur aus einer „NUTS3“-Region besteht, ist Deutschland in 402 dieser Einheiten unterteilt. Insgesamt umfasst die Analyse 1134 NUTS3-Regionen aus 21 europäischen Ländern, für die den Forschern die zusammengefasste Geburtenrate (TFR) aus dem Jahr 2010 bzw. in drei Fällen aus 2009/2011 vorlag. Auch bei dieser kleinskaligen Auflösung  ist die bekannte Unterteilung Europas in – im Wesentlichen – zwei Fertilitätsmuster zunächst deutlich zu erkennen (s. Abb.1): In Frankreich, England, den Benelux-Ländern und Skandinavien liegt die Geburtenrate bei etwa 1,9 Kindern pro Frau. 

Abb.1: Die zwei Gruppen von Ländern mit hoher und niedriger Fertilität (hier die Geburtenrate aus dem Jahr 2010) zeichnen sich in Europa deutlich ab. Quelle: Nationale Statistikämter und eigene Berechnungen 

Das restliche Europa pendelt eher um eine Marke von 1,3 Kindern pro Frau. Doch diese großen nationalen Unterschiede überdecken oft die regionale Vielfalt (s. Abb. 2). 

Abb.2: Betrachtet man die Abweichungen von der durchschnittlichen Fertilität (Geburtenrate, TFR 2010) in den einzelnen Ländern, so zeigen sich deutliche regionale Unterschiede. Quelle: Nationale Statistikämter und eigene Berechnungen

Schaut man auf die regionalen Abweichungen von der durchschnittlichen Geburtenrate eines Landes, so lässt sich feststellen, dass die Unterschiede zwischen den Regionen durchaus deutlich sind. Zum einen bestätigt sich, dass die Geburtenrate in städtisch geprägten Gebieten niedriger ist als in ländlichen Regionen. Zum anderen lässt sich feststellen, dass sich die Fertilitätsniveaus in Grenzregionen oft angleichen – zumindest wenn die betroffenen Länder zur gleichen Gruppe gehören – also zu den europäischen Ländern mit eher geringer oder mit eher hoher Geburtenrate. Das gilt zum Beispiel für einige Regionen an der portugiesisch-spanischen, der belgisch-französischen und der deutsch-polnischen Grenze. Dabei kann zum Beispiel in westpolnischen Gebieten die Fertilität unterhalb des nationalen Durchschnitts und in ostdeutschen Regionen oberhalb des nationalen Durchschnitts liegen. Solche Beobachtungen könnten die These unterstützen, dass nationale Grenzen zukünftig unbedeutender, regionale Grenzen dagegen wichtiger werden. 

Um herauszufinden, welche Faktoren darüber hinaus für regionale Fertilitätsmuster entscheidend sind, haben die Autoren der Studie auch untersucht, ob sie einen Zusammenhang mit verschiedenen sozio-kulturellen und ökonomischen Indikatoren finden, wie z.B. der Beschäftigungsquote, dem Pro-Kopf-Einkommen, dem Anteil an Mehrfamilienhäusern oder dem Anteil an geschiedenen Personen. Ein hoher Anteil geschiedener Personen hat demnach oft eine vergleichsweise niedrige Geburtenrate zur Folge. In zweiter Linie war auch das Pro-Kopf-Einkommen entscheidend: In Regionen, in denen durchschnittlich gut verdient wird, sind die Geburtenraten meist eher niedrig. Abgesehen davon, dass in der Studie erstmals in dieser Breite regionale Unterschiede über Ländergrenzen hinweg untersucht wurden, haben die Demografen auch verschiedene Modelle für ihre Analyse erprobt. Um zu untersuchen, welche Faktoren für die regionale Entwicklung der Geburtenrate eine Rolle spielten, verwendeten sie nicht nur gewöhnliche Regressionsmodelle. Sie erprobten auch sogenannte räumliche Modelle, welche die Schätzung von Einflüssen zwischen den Regionen zulassen. Sie erwiesen sich für die regionale Analyse als besonders geeignet.

 

Literatur

  • Campisi, N., H. Kulu, J. Mikolai, S. Klüsener and M. Myrskylä: Spatial variation in fertility across Europe: patterns and determinants. Population, Space and Place [First published online: 15 January 2020].
    DOI: 10.1002/psp.2308

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Aus Ausgabe 2020/2

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