ISSN 1613-8856

Max-Planck-Institut für demografische Forschung

Mit dem Ruhestand kommt das Enkelkind

2020 | Jahrgang 17 | 2. Quartal

Keywords: Ruhestand, Intergenerationeller Transfer, Fertilität, Zeitverwendung

Mitautor der wissenschaftlichen Studie: Peter Eibich

Das Kind von der Kita abholen, abends den Babysitter stellen und bei beruflichen Terminen den Rücken frei halten: Großeltern, die in der Nähe wohnen, können für die Familien ihrer erwachsenen Kinder eine große Entlastung darstellen. Dass sich dies auch in der Familienplanung wiederspiegelt, zeigen Peter Eibich vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung sowie Thomas Siedler von der Universität Hamburg in einer neuen Studie erstmals für Deutschland. 

Die beiden Forscher werteten Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus den Jahren 1984 bis 2017 aus und schauten, wie sich der Renteneintritt der Großeltern auf die Familienplanung ihrer erwachsenen Kinder auswirkte. Weil sie sich auf Rentner fokussierten, die aufgrund von finanziellen Anreizen und Rentenreformen aus dem Arbeitsleben ausgeschieden waren, können die Forscher davon ausgehen, dass tatsächlich die Verrentung selbst den gemessenen Effekt hat. 

Die Ergebnisse sind zumindest nach einer Frühverrentung mit 60 Jahren recht deutlich: Geht ein Vater in diesem Alter in Rente, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Enkel geboren wird, um 17 Prozentpunkte (s. Abb. 1). Bei der Frühverrentung von Müttern sind es hingegen nur elf Prozentpunkte. Die Wahrscheinlichkeit, dass Töchter ein (weiteres) Kind bekommen, ist dabei größer. Sie steigt bei der Verrentung der Großväter um 19 Prozentpunkte, bei Großmüttern um 15 Prozentpunkte. Die Wahrscheinlichkeit, dass Söhne (noch einmal) Väter werden, ist mit 14 bzw. 8 Prozentpunkten etwas niedriger. 

Abb.1: Quelle: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Enkel geboren wird, ist vor allem nach dem Renteneintritt von Vätern besonders hoch. Quelle: SOEP, eigene Berechnungen

Auf den ersten Blick überrascht dieses Ergebnis. Denn es sind in aller Regel die Großmütter, die mehr Zeit mit ihren Enkeln verbringen – im Schnitt eine halbe Stunde pro Werktag und eine ganze Stunde zusätzlich nach ihrem Renteneintritt. Großväter dagegen verbringen nach ihrer Verrentung nicht unbedingt mehr Zeit mit ihren Enkeln. Aber im Gegensatz zu den Großmüttern hatten sie in ihrer Erwerbstätigkeit oft die größere Wochenarbeitszeit. Fällt diese durch die Verrentung weg, macht sich das auch für die Großmütter deutlicher bemerkbar. 

Die Autoren der Studie vermuten, dass sie in der Folge im eigenen Haushalt entlastet werden und mehr Kapazitäten für die Enkel haben. Deutlich wird das vor allem an den Wochenenden: Sind die Großväter in Rente, verbringen die Großmütter samstags und sonntags eine Stunde täglich mehr mit ihren Enkeln. 

In weiteren Analysen konnten Eibich und Siedler belegen, dass der Verrentungs-Effekt vor allem dann auftritt, wenn die Großeltern weniger als eine Stunde Fahrtzeit von ihren Kindern und Enkelkindern entfernt wohnen. Auch das Einkommen der erwachsenen Kinder spielt eine Rolle: Gehören sie zu den Gutverdienern (oberes Einkommensquartil), steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Geburt sogar um 31 Prozentpunkte ein Jahr nach der Frühverrentung der Väter und um 41 Prozentpunkte bei einer Frühverrentung der Mütter. Darüber hinaus ist auch die Familiengröße von Bedeutung: Vor allem wenn die Eltern bereits ein Kind haben, kann die Verrentung der Großeltern die Entscheidung für ein zweites stark beeinflussen. Ist noch kein Kind da, ist der Großeltern Effekt mit knapp zehn Prozentpunkten deutlich geringer, bei zwei und mehr Kindern ist statistisch gar kein signifikanter Zusammenhang mehr festzustellen.

 Auswirkungen auf die Gesamtzahl der Enkelkinder hat die Verrentung der Großeltern allerdings nicht. Und die dargestellten Zusammenhänge gelten auch nur für eine Frühverrentung mit 60 Jahren – vermutlich weil viele erwachsene Kinder ihre Familienplanung bereits weitestgehend abgeschlossen haben, wenn ihre Eltern regulär in Rente gehen.

Literatur

  • Eibich, P. and T. Siedler: Retirement, intergenerati- onal time transfers, and fertility. European Economic Review [First published online: 14 February 2020].
    DOI: 10.1016/j.euroecorev.2020.103392

Aus Ausgabe 2020/2

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