ISSN 1613-8856

Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels

Wo können Menschen gesund altern?

2022 | Jahrgang 19 | 4. Quartal

Keywords: Sterblichkeit, Lebenserwartung , Städtisch-Ländlich, Gesundheitsvorsorge, Bevölkerungsalterung

Mitautor der wissenschaftlichen Studie: Roland Rau

Demnach ist bei jüngeren Senior*innen in Deutschland die Sterblichkeit in ländlichen Regionen niedriger als in der Stadt. Mit zunehmendem Alter aber verschiebt sich dieser Sterblichkeitsvorteil auf die städtischen Regionen, wie Roland Rau von der Universität Rostock, Marcus Ebeling vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Eva Kibele vom Statistischen Landesamt Bremen sowie Nikola Sander und Sebastian Klüsener vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in einer Studie im Fachmagazin „Public Health“ schreiben (s. Abb. 1). Während etwa die 60- bis 64-jährigen Frauen in ländlichen Regionen im Durchschnitt eine um 13 Prozent geringere Sterberate haben als gleichaltrige Stadtbewohnerinnen, ist es bei den 85- bis 89-Jährigen genau andersherum: Hier haben Stadtbewohnerinnen eine um zehn Prozent niedrigere Sterberate. Dabei wurden Kreise, in denen weniger als 301 Einwohner*innen pro Quadratkilometer wohnten, als ländliche Regionen definiert, Kreise mit mehr als 1000 Einwohner*innen pro Quadratkilometer als städtische Gebiete. In ihrer Studie verglichen die Forscher*innen neben Deutschland auch die verschiedenen Regionen in Wales und England. Auch hier zeigte sich, dass ländliche Regionen ihren Sterblichkeitsvorteil mit steigendem Alter der Bewohner*innen langsam einbüßen. In einen Vorteil für die Stadt schlägt das allerdings erst bei den über 90-Jährigen um. Die Sterblichkeit der 60- bis 89-Jährigen dagegen ist auf dem Land größtenteils deutlich geringer. Sie liegt teilweise gut 20 Prozent unterhalb der Mortalitätsraten gleichaltriger Stadtbewohner*innen. 

Um weitere Verzerrungen herauszurechnen, die etwa von kreisspezifischen Unterschieden beim Rauchverhalten, beim Übergewicht oder bei sozioökonomischen Faktoren herrühren könnten, berücksichtigten die Forscher*innen auch die Lebenserwartung der Kreise. In einem nächsten Analyseschritt wurde so zum Beispiel ein Kreis, dessen Lebenserwartung im unteren Drittel lag, auch nur mit anderen Kreisen verglichen, deren Lebenserwartung ebenfalls zu den untersten 33 Prozent gehört. Für Deutschland verändern sich die Ergebnisse dadurch nur wenig. Für England und Wales lässt sich aber feststellen, dass bereits bei den über 80-Jährigen die Sterberaten in Städten geringer als auf dem Land ausfallen. Das gilt zumindest für Kreise, deren durchschnittliche Lebenserwartung im mittleren oder oberen Drittel liegt. 

Neben der Berücksichtigung der Lebenserwartung halten die Forscher*innen auch den differenzierteren Blick auf die Altersgruppen für wichtig,  weil je nach Alter bestimmte Krankheiten und dadurch auch bestimmte Therapiemöglichkeiten im Vordergrund stehen. Während bei jüngeren Senior*innen etwa Krebserkrankungen als Todesursache eine größere Rolle spielen, sind im höheren Alter häufiger Herz-Kreislauferkrankungen für Sterbefälle verantwortlich. Bei letzteren etwa ist die Frage, wie weit das nächste Krankenhaus entfernt ist, wesentlich entscheidender als bei Krebserkrankungen. Es ist also anzunehmen, dass Stadtbewohner*innen mit solchen Erkrankungen einen Vorteil gegenüber Menschen haben, die in ländlichen Regionen mit weiten Anfahrtswegen zum Krankenhaus wohnen. Dies könnte eine Erklärung sein, warum sich der Sterblichkeitsvorteil im höheren Alter zu den städtischen Regionen verschiebt (s. Abb. 1). 

Relative Sterblichkeitsunterschiede von Bewohner*innen in städtischen und ländlichen Gebieten (in Prozent)

Abb. 1: Anhand der Altersgruppen lässt sich gut nachvollziehen, wie die Sterblichkeitsvorteile ländlicher Regionen mit zunehmendem Alter abnehmen. Dargestellt ist der Quotient aus den Sterberaten in städtischen Regionen und den Sterberaten der ländlichen Regionen, wobei die 0%-Linie für ein Ergebnis von 1 steht. Quelle: INKAR, eigene Berechnungen

In vorherigen Studien zur Sterblichkeit in ländlichen Regionen und Städten konnte für Deutschland bisher kein eindeutiges Muster gefunden werden und für England und Wales wurden vor allem Sterblichkeitsvorteile auf dem Land gefunden. Durch die Berücksichtigung verzerrender Faktoren in der Bevölkerungszusammensetzung konnte die vorliegende Studie erstmals ähnliche Muster in Deutschland, England und Wales aufzeigen.

Literatur

  • Ebeling, M., R. Rau, N. Sander, E. Kibele and S. Klüsener: Urban–rural dis- parities in old-age mortality vary systematically with age: evidence from Germany and England & Wales. Public Health 205(2022), 102–109.
    DOI: 10.1016/j.puhe.2022.01.023

Aus Ausgabe 2022/4

Artikel

Infoletter

Der kostenlose Infoletter erscheint viermal jährlich und ist sowohl als elektronische wie auch als Druckversion erhältlich.