Max-Planck-Institut für demografische Forschung

Persönlichkeitsmerkmale und die Wahrscheinlichkeit, Kinder zu bekommen

2023 | Jahrgang 20 | 2. Quartal

Keywords: Fertilität, Empathie, Extrovertiertheit, Persönlichkeitsmerkmale, Five-Factor-Model

Wissenschaftlicher Ansprechpartner: Steffen Peters

Eine Vielzahl an Faktoren gesellschaftlicher, kultureller und politischer Natur haben Einfluss darauf, wie wahrscheinlich es ist, dass Menschen Kinder bekommen. Das alleine macht die Forschung dazu, ob und unter welchen Umständen sich Menschen für das Kinderkriegen entscheiden, nicht einfach. Hinzu kommt die Theorie des zweiten demografischen Übergangs. Laut dieser Theorie ist der demografische Wandel, der seit Mitte der 1950er-Jahre in vielen Industriestaaten zu beobachten ist, unter anderem auf einen Wertewandel hin zu postmaterialistischen und individualistischen Werten zurückzuführen. Oder anders gesagt: Dinge wie Selbstverwirklichung, persönliche Freiheiten und Selbsterfüllung tragen zum Geburtenverhalten bei. Das wiederum hat Folgen: Wenn Menschen individueller entscheiden, ob sie Kinder haben wollen, kann man vermuten, dass auch Persönlichkeitsmerkmale eine Rolle bei der Entscheidung spielen. 

Genau diese Hypothese ist Ausgangslage des Forschungsvorhabens von Steffen Peters vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung. Für eine Studie, die in der Fachzeitschrift „Genus“ erschienen ist, hat er das sogenannte Five-Factor-Model genutzt, das sich dazu eignet, die Persönlichkeitsmerkmale Empathie, Gewissenhaftigkeit, Extrovertiertheit, Neurotizismus und Aufgeschlossenheit zu messen. Dieses Modell wendete er auf Daten aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), eine der größten repräsentativen Haushaltsbefragungen in Deutschland, an. 

Steffen Peters stellte fest, dass es einen leicht positiven Zusammenhang zwischen dem Persönlichkeitsmerkmal „Empathie“ und der Wahrscheinlichkeit, ein Kind zu bekommen, gibt (siehe Abb. 1). Die Merkmale „Gewissenhaftigkeit“ und „Neurotizismus“ hingegen sind gar nicht mit der Wahrscheinlichkeit, ein Kind zu bekommen, assoziiert.

Empathie und Fertilität

Abb. 1: Bei Männern, die das Persönlichkeitsmerkmal „Empathie“ aufweisen, ist die Wahrscheinlichkeit größer, ein erstes Kind zu bekommen.

Die deutlichste Korrelation stellte er aber bei der Extrovertiertheit fest: Bei Männern war dieses Merkmal tendenziell positiv mit der ersten Geburt verbunden, jedoch deutlich negativ mit der Geburt des zweiten Kindes (siehe Abb. 2). Entgegen seiner Erwartung konnte der Forscher bei Frauen hingegen überhaupt keinen Zusammenhang zwischen Extrovertiertheit und der Wahrscheinlichkeit, ein erstes oder zweites Kind zu bekommen, erkennen. Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zu Ergebnissen anderer Studien, die diesen Zusammenhang sowohl für Männer als auch für Frauen herstellen.

Extrovertiertheit und Fertilität

Abb. 2: Das Persönlichkeitsmerkmal „Extrovertiertheit“ wirkt sich vor allem bei Männern positiv auf die Wahrscheinlichkeit aus, ein erstes Kind zu bekommen - aber negativ auf die Wahrscheinlichkeit, ein zweites Kind zu bekommen.

In seinem Beitrag stellt Steffen Peters einige Überlegungen an, die zeigen, wie komplex der Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und der Wahrscheinlichkeit, ein erstes oder zweites Kind zu bekommen, sein kann: Da extrovertierte Personen per Definition kontaktfreudig sind, haben sie möglicherweise höhere Chancen, einen potenziellen Partner zu treffen, was wiederum ihre Chancen auf eine Elternschaft verbessern kann. Da die Geburt eines Kindes jedoch das soziale Leben der Eltern stark einschränkt, erleben extrovertierte Menschen, die Eltern werden, möglicherweise einen neuen Lebensabschnitt, der nicht mehr ihren persönlichen Vorlieben entspricht. Soziale Aktivitäten mit Freund*innen sind für Eltern eher begrenzt und sie verwenden ihre verfügbare Zeit eher für die Kinderbetreuung. Diese soziale Isolation kann insbesondere bei extrovertierten Menschen zu Unzufriedenheit führen, die wiederum bewirken kann, dass sie auf ein weiteres Kind verzichten. Ebenfalls zu berücksichtigen sei die Tatsache, dass es im Verlauf des Lebens zu Persönlichkeitsveränderungen kommen kann, so der Forscher. So könnte zum Beispiel die Geburt eines ersten Kindes einen größeren Einschnitt im Leben bedeuten und demnach mit Veränderungen in den Persönlichkeitsmerkmalen einhergehen, während sich beim zweiten Kind schon Routinen im Tagesablauf eingespielt haben und die Geburt weniger massive Auswirkungen auf die Persönlichkeitsmerkmale hat. 

Literatur

  • Peters, S.: The prospective power of personality for childbearing: a longitudinal study based on data from Germany. Genus 79(2023)6, 1–40.
    DOI: 10.1186/s41118-023-00184-y

Aus Ausgabe 2023/2

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