Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels

Geringeres Wohlbefinden in interethnischen Ehen

2023 | Jahrgang 20 | 4. Quartal

Keywords: Interethnische Ehen, Soziale Integration, Lebenszufriedenheit, Scheidung

Wissenschaftliche Ansprechpartnerin: Annegret Gawron

Interethnische Ehen werden häufiger geschieden als Ehen von Eingewanderten der gleichen Herkunft. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass Eingewanderte in dieser Ehekonstellation weniger zufrieden sind als Eingewanderte, die jemanden aus dem gleichen Herkunftsland geheiratet haben. Ob das tatsächlich so ist, hat Annegret Gawron von der Universität Rostock gemeinsam mit einer Kollegin untersucht. 

In der Forschung gibt es zwei widersprüchliche Hypothesen bezüglich des Zusammenhangs zwischen interethnischen Ehen und dem Wohlbefinden von Eingewanderten. Einerseits werden interethnische Ehen als Indikator für die soziale Integration von Eingewanderten angesehen. Denn aus mehreren Studien weiß man, dass Eingewanderte, die mit Personen ohne Migrationshintergrund verheiratet sind, im Schnitt gebildeter, wohlhabender und kulturell integrierter sind als Eingewanderte, deren Ehepartner*innen aus dem gleichen Herkunftsland kommen. Andererseits sind die Trennungs- und Scheidungsraten bei interethnischen Ehen höher als bei Ehen von Menschen aus dem gleichen Herkunftsland. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass interethnische Ehen konfliktreicher sind und infolgedessen mit einem geringeren Wohlbefinden der Eingewanderten verbunden sind. Die beiden Forscherinnen vertreten die These, dass das Wohlbefinden stark davon abhängt, in welcher Lebensphase sich das Paar befindet. Eine frühere qualitative Studie zum psychosozialen Wohlbefinden von interethnischen Paaren habe gezeigt, dass die Herausforderung, ethnische Unterschiede zu bewältigen, im Laufe des Familienlebens nicht gleich bleibt. Deswegen entschieden die Forscherinnen, das Wohlbefinden in verschiedenen Phasen des Familienlebensverlaufs zu untersuchen.

Für ihre Studie nutzten sie Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), einer jährlich durchgeführten Panelstudie, bei der seit 1984 Umfragen in Haushalten in Westdeutschland und ab 1990 auch in Haushalten in Ostdeutschland durchgeführt werden. Die Mehrheit der untersuchten Eingewanderten kommt aus Osteuropa (Polen, Ungarn, Tschechien, Slowenien, Litauen, Slowakei, Kroatien, Bulgarien und Rumänien; insgesamt 24,3 Prozent). Darauf folgen zahlenmäßig Eingewanderte aus der Türkei (19,7 Prozent) und Südeuropa (Italien, Griechenland, Spanien und Portugal; insgesamt 15,8 Prozent).

Die Wissenschaftlerinnen fanden heraus, dass die Zufriedenheit von Eingewanderten in einer interethnischen Ehe während der Kindererziehung besonders niedrig ist (s. Abb. 1). Ihre Lebenszufriedenheit nimmt jedoch mit zunehmendem Alter zu und lässt sich schließlich nicht mehr von der Lebenszufriedenheit von Eingewanderten, die eine Person aus demselben Herkunftsland geheiratet haben, unterscheiden.

Zusammenhang zwischen Lebenszufriedenheit von Eingewanderten und ihrem Ehetyp im Familienlebenslauf

Abb. 1: Es scheint einen eindeutigen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Familienphasen, dem Ehetyp und der Lebenszufriedenheit von Eingewanderten zu geben. Quelle: SOEP, eigene Berechnungen

In einer interethnischen Ehe zu leben, wirke sich also nicht auf lange Sicht negativ auf die Lebenszufriedenheit von Eingewanderten aus, könne aber Auswirkungen auf die Stabilität einer Ehe in bestimmten Lebensphasen haben, so die Autorinnen. Ihre Ergebnisse würden darauf hindeuten, dass in Lebensphasen, in denen Partner*innen Entscheidungen stärker miteinander verhandeln müssen, wie zum Beispiel bei der Kindererziehung, ethnische Unterschiede zu größeren Konflikten und einer geringeren Lebenszufriedenheit führen könnten. Die Studie zeige, dass soziale Integration herausfordernd sein kann.

Ihre Studie werfe einige Fragen auf, die weiter untersucht werden müssten, schreiben die Autorinnen weiter. So könne man zum Beispiel in einiger Zeit, mit einer wachsenden Zahl an Eingewanderten, untersuchen, ob sich Unterschiede je nach Herkunftsländern zeigen. Interessant könne es auch sein, herauszufinden, ob Ehen, in der beide Seiten aus dem gleichen Herkunftsland stammen und von denen man weiß, dass sie seltener geschieden werden, tatsächlich glücklicher sind, oder ob soziale oder materielle Gründe eine Trennung verhindern. Ebenfalls interessant könne es sein, die Zufriedenheit der deutschen Partner*innen zu betrachten, da zu Beziehungen in der Regel zwei Partner*innen gehören.

Literatur

  • Gawron, A. and S. Carol: Immigrants’ life satisfaction in intermarriages with natives: a family life course perspective. International Migration Review 57(2023)3, 1069–1098.
    DOI: 10.1177/01979183221133320

Aus Ausgabe 2023/4

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