Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels

Anzahl der Kinder interethnischer Paare

2024 | Jahrgang 21 | 4. Quartal

Keywords: Deutschland, Exogamie, Fruchtbarkeit, Migration

Wissenschaftliche Ansprechpartnerin: Annegret Gawron

Forschung hat gezeigt, dass Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland wie in anderen europäischen Ländern durchschnittlich mehr Kinder bekommen als Frauen ohne Migrationshintergrund. Bisherige Fertilitätsstudien haben jedoch kaum berücksichtigt, welche Rolle es spielt, ob (auch) ihr Partner zugewandert ist. Dies ist relevant, da internationale Migration, Mobilität und Digitalisierung zu einer Internationalisierung des Partnermarktes geführt haben. Liebesbeziehungen, in denen beide Partner*innen aus verschiedenen Herkunftsländern stammen, nehmen zu. Bisherige Forschung hat sich viel mit der Frage beschäftigt, welche Faktoren eine interethnische, binationale oder interreligiöse Partnerwahl mit Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft in migrantischen Gruppen begünstigen. Dahinter steht die Annahme aus der klassischen Migrations- und Assimilationsforschung, dass Personen mit Migrationshintergrund, die eine Beziehung mit einer Person ohne Migrationshintergrund eingehen, in die Mehrheitsgesellschaft integriert sind beziehungsweise die interethnische Partnerschaft die gesellschaftliche und soziale Teilhabe weiter fördert. Nun sind die Wissenschaftlerinnen Annegret Gawron von der Universität Rostock und Nadja Milewski vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung der Frage nachgegangen, wie sich eine interethnische Partnerwahl auf die Fertilität auswirkt. In ihrer Studie untersuchten sie die Geburtenzahl von Frauen in endogamen Beziehungen (das heißt, der Partner kommt aus demselben Herkunftsland) und von Frauen in interethnischen Beziehungen (der Partner kommt aus einem anderen Land). Bemerkenswert an dieser Studie ist, dass der Fokus nicht nur auf zugewanderten Frauen, sondern auch auf Frauen ohne Migrationshintergrund liegt, die mit einem Mann mit Migrationshintergrund in einem Haushalt leben.

Anzahl der Kinder nach Partnerschaftstyp der Frau

Anzahl der Kinder nach Partnerschaftstyp der Frau

Abb.1: Bei den grauen Quadraten (Modell 1) ist als soziodemografischer Faktor nur das Geburtsjahr der Frauen berücksichtigt. Bei den blauen Punkten (Modell 2) haben die Forscherinnen neben dem Geburtsjahr der Frauen weitere soziodemografische Faktoren herausgerechnet, wie zum Beispiel vor der Partnerschaft geborene Kinder, das Alter der Frauen bei der Partnerschaftsgründung, Altersunterschiede zum Partner und die Bildung. Dadurch werden die Unterschiede zwischen den beiden Typen interethnischer Beziehungen noch eindeutiger. Die rote Linie ist die Referenzkategorie „Endogam: Frauen ohne Migrationshintergrund“. Datenquelle: Sozioökonomisches Panel (SOEP) 1984–2020

Die Forscherinnen betrachteten Daten von Frauen, die von 1940 bis 1980 geboren wurden, und stellten Unterschiede fest: Frauen mit Migrationshintergrund in endogamen Partnerschaften bekamen durchschnittlich 2,2 Kinder. Frauen ohne Migrationshintergrund in endogamen Partnerschaften brachten im Schnitt 1,7 Kinder zur Welt. Diese Ergebnisse entsprechen dem bisherigen Wissensstand. Neu ist jedoch: Frauen ohne Migrationshintergrund in interethnischen Beziehungen hatten durchschnittlich ebenfalls 1,7 Kinder, während Frauen mit Migrationshintergrund in interethnischen Beziehungen im Schnitt 1,8 Kinder bekamen. Diese Unterschiede blieben weitgehend stabil, nachdem die unterschiedlichen Geburtsjahre der untersuchten Frauen berücksichtigt wurden (siehe Abb. 1, Modell 1). Die Forscherinnen prüften weiter, inwieweit sich die Fertilitätsmuster verändern, wenn Faktoren wie Bildung oder das Alter bei der Haushaltsgründung berücksichtigt werden, die sowohl die Entstehung interethnischer Beziehungen als auch die Fertilität beeinflussen (siehe Abb. 1, Modell 2). Nach Kontrolle dieser Faktoren zeigte sich, dass die Fertilität von Frauen mit Migrationshintergrund in interethnischen Beziehungen genauso hoch war wie bei endogamen migrantischen Paaren. Für Frauen ohne Migrationshintergrund wurde dagegen erneut kein statistischer Unterschied nach Beziehungstyp festgestellt. Die Wissenschaftlerinnen schlussfolgerten, dass – kontrastierend zu bestehenden Assimilationstheorien – eine interethnische Partnerschaft von Migrantinnen nicht zwangsläufig mit einer Anpassung an die durchschnittlich niedrigeren Geburtenzahlen der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund einhergeht. Zudem spielen Geschlechterunterschiede in Assimilationsprozessen eine Rolle: Die Partnerschaft mit einem migrantischen Mann wirkt sich nicht signifikant auf die Geburtenzahl von Frauen ohne Migrationshintergrund aus. Dies liegt möglicherweise nicht unbedingt an einer besseren Anpassung der Männer, sondern könnte auch auf das erhöhte Konfliktpotenzial und die geringere Stabilität interethnischer Beziehungen mit migrantischen Partnern zurückzuführen sein.

Literatur

  • Gawron, A. and N. Milewski: Migration, partner selection, and fertility in Germany: how many children are born in mixed unions? European Journal of Population 40(2024)1, 1–29.
    DOI: 10.1007/s10680-024-09710-w

Titelseite dieser Ausgabe

Aus Ausgabe 2024/4

Artikel

Infoletter

Der kostenlose Infoletter erscheint viermal jährlich und ist sowohl als elektronische wie auch als Druckversion erhältlich.