Zunehmende Arbeitsteilung und Spezialisierung kennzeichnen moderne Gesellschaften. Allerdings traf dies im 20. Jahrhundert nicht auf demografische Trends zu, vor allem nicht auf das Geburtenverhalten: der Anteil der Frauen mit Kindern stieg. Diese Entwicklung erreichte im Nachkriegs-Babyboom ihren Höhepunkt; die Familiengrößen aller Frauen glichen sich an. Zwei Studien* des Max-Planck-Institutes für demografische Forschung untersuchen die jüngeren Entwicklungen.
Bei der Analyse der Geburtenkonzentration steht das Ausmaß der Ungleichheit der Verteilung der Kinder auf die Frauen eines Jahrgangs im Mittelpunkt. Der Gini-Koeffizient misst den durchschnittlichen relativen Fertilitätsunterschied zweier Frauen. Die theoretische Bandbreite des Gini-Koeffizienten reicht von Null – alle besitzen gleich viel – bis Eins – ein Individuum besitzt alles. In der Demografie hat sich zusätzlich das intuitiv einfache Have-Half-Maß eingebürgert: der Anteil der Frauen, die die Hälfte aller von Frauen desselben Jahrgangs geborenen Kinder hat. Beide Maßzahlen führen zu einem ähnlichen Ergebnis: Westdeutschland hat mit einem Gini-Koeffizienten von 0,44 und einer Have-Half-Zahl von 26 die stärkste Geburtenkonzentration unter den untersuchten Ländern: 26 Prozent der 1960 geborenen Frauen brachten die Hälfte aller von Frauen desselben Jahrgangs geborenen Kinder zur Welt. In Österreich beträgt der Gini-Koeffizient 0,36; 28 Prozent der Österreicherinnen haben die Hälfte aller Kinder. Die geringsten Unterschiede gibt es in Osteuropa.
Die Geburtenkonzentration wirkt sich auf sozioökonomische und demografische Entwicklungen aus. Geht man davon aus, dass nicht die Bezieher der höchsten Einkommen die meisten Kinder haben, kann die Geburtenkonzentration zur Ungleichheit der Pro-Kopf-Einkommen beitragen. Neben den mit Kindern verbundenen Kosten beeinflusst die Geburtenkonzentration die Verteilung von Sozialkapital. Verschiedene Familiengrößen führen zu unterschiedlich großen Verwandtschaftsnetzen. Damit sind informelle Ressourcen verbunden, etwa im Pflegefall. Insbesondere ein hoher Anteil kinderloser Menschen erhöht den künftigen Bedarf an Pflegeeinrichtungen für kinderlose Alte.
Abbildung 1 zeigt die Veränderungen der durchschnittlichen Kinderzahl pro Frau und der Geburtenkonzentration für die Jahrgänge 1921 bis 1961 in Österreich, weiteren vier west- und osteuropäischen Ländern sowie den USA. Die Veränderungen der Geburtenzahlen sind in Westeuropa, vor allem aber in den USA stark vom Babyboom in den Nachkriegsjahren gekennzeichnet, während die Veränderungen in Osteuropa wie in Schweden relativ gering ausfielen. Allen Ländern gemeinsam ist die anfängliche Abnahme der Geburtenkonzentration. In den USA kam es jedoch bald nach dem Höhepunkt des Babybooms, in den anderen Ländern erst mit den Geburtsjahrgängen 1950 bis 1955 zu einer Trendumkehr. Österreich weist fast über den gesamten betrachteten Zeitraum die höchste Geburtenkonzentration auf. Dies ist vor allem auf die mit 16 Prozent relativ hohe Kinderlosigkeit und die historisch niedrigen Geburtenzahlen in Städten, besonders in Wien, zurückzuführen. Hauptauslöser für die allgemeine Trendumkehr ist also die steigende Kinderlosigkeit.
Abb. 1: Durchschnittliche Kinderzahl und Geburtenkonzentration für Frauen nach Geburtsjahrgang und Land
Die Veränderungen der Geburtenkonzentration betreffen nicht nur Frauen, sondern auch die Kinder und ihre (potenziellen) Geschwister. Ein Beispiel: In Österreich brachten Frauen des Jahrganges 1950 durchschnittlich 0,5 Kinder weniger zur Welt als 1935 geborene Frauen. Dabei sank aber die durchschnittliche Geschwisterzahl, die ein Kind hat, um eins. Misst man der Geschwisterzahl Auswirkungen auf die Sozialisation zu – insbesondere unterscheiden sich Einzelkinder von Kindern mit Geschwistern – beeinflusst die Geburtenkonzentration somit die (Unterschiedlichkeit der) Sozialisation von Kindern.
Untersuchungen der Geburtenkonzentration nach Bildung und anderen soziodemografischen Kriterien liegen für Österreich und die USA vor. Obwohl die durchschnittliche Kinderzahl mit steigender Bildung in beiden Ländern sinkt, resultiert die Ungleichheit kaum aus Unterschieden zwischen den Bildungsgruppen. Die Familiengrößen sind auch innerhalb der Bildungsschichten uneinheitlich, wobei die Konzentration mit steigender Bildung zunimmt: je höher die Ausbildung, desto klarer die Entscheidung zwischen Beruf und Familie. In Österreich hat dies folgenden Effekt: Die durchschnittliche Familiengröße aus Kindersicht ist unabhängig von der Bildung der Mutter, während die durchschnittliche Familiengröße der Frauen mit steigender Bildung abnimmt. Die Kinder von Frauen hoher Bildung verteilen sich also auf weniger Mütter, da viele Frauen mit hoher Bildung kinderlos bleiben.
Insgesamt ist die weitere Zunahme der Geburtenkonzentration in Österreich bis zu den letzten untersuchten Geburtskohorten (1960) noch schwach ausgeprägt. Der jüngste Anstieg der Kinderlosigkeit lässt aber eine Zunahme Konzentration vermuten; dieses Ergebnis lässt sich auch auf Deutschland übertragen.