Der sozio-ökonomische Status beeinflusst die Sterblichkeit wesentlich. 1991 etwa betrug in Österreich die restliche Lebenserwartung im Alter von 30 Jahren bei männlichen Akademikern 49,15 Jahre, aber bei Männern mit Pflichtschule nur 42,25 Jahre. Frauen, die zu diesem Zeitpunkt 30 Jahre alt waren, hatten durchschnittlich noch 53,13 bzw. 49,27 Lebensjahre vor sich. In den vorigen Jahrzehnten stieg die Lebenserwartung in den industrialisierten Ländern für alle sozio-ökonomischen Gruppen. Allerdings berichten fast alle Trendstudien über einen höheren Anstieg der Lebenserwartung bei jenen mit höherem Status.
Der sozio-ökonomische Status kann nach Schulbildung, Beruf oder Einkommen definiert werden. Eine neue Studie des Wiener Instituts für Demographie konzentriert sich auf bildungsspezifische Mortalitätstrends, weil Bildung während des Erwachsenenlebens meist gleich bleibt und nicht durch Gesundheitsprobleme beeinflusst wird. Außerdem können auch Nichterwerbstätige in die Analyse einbezogen werden.
In Österreich nimmt der relative Rückgang der Sterbewahrscheinlichkeit mit steigender Schulbildung deutlich zu (siehe Tabelle 1). Zwischen 1981/82 und 1991/92 reduzierten sich die Sterberaten hoch gebildeter Männer im Alter von 30 bis 59 Jahren um 26 Prozent, während die Sterberaten für Niedriggebilde nur um 15 Prozent sanken. Groß war der Unterschied bei älteren Männern; hier betrugen die relativen Rückgänge zwölf bis 25 Prozent. Auch bei den Frauen war ein höherer relativer Rückgang der Sterberaten bei den Höhergebildeten zu beobachten, jedoch fielen die Unterschiede zwischen den Bildungslevels geringer als bei den Männern aus.
Tab. 1: Altersstandardisierte Sterberaten mit relativen Veränderungen von 1981 auf 1991 in Österreich, nach Ausbildung, Geschlecht und Alter. Quelle: Österreichische Volkszählung zusammengeführt mit Sterberegister; eigene Berechungen.
Zum Teil kann die steigende Benachteiligung von Personen mit niedriger Bildung auf die Veränderung der Bildungsverteilung in der Bevölkerung zurückgeführt werden: Wenn immer weniger Menschen eine geringe und immer mehr Menschen eine höhere Schulbildung haben, verändert sich auch deren relative Position in der Bildungsverteilung. Diesen Umstand berücksichtigt der Relative Ungleichheitsindex (Relative Index of Inequality – RII). Dieser kann interpretiert werden als das Verhältnis der altersstandardisierten Sterberaten zwischen den hypothetisch Niedrigst- und Höchstgebildeten unter gleichzeitiger Berücksichtigung der dazwischen liegenden Ausbildungslevels. Je höher der RII, desto größer ist die Benachteiligung.
Abbildung 1 veranschaulicht den Anstieg des RII zwischen 1981 und 1991 in Österreich. Bei den 30- bis 59-jährigen Männern stieg der RII von 2,4 auf 3. Bei Frauen gab es in dieser Altersgruppe nur einen geringen Anstieg von 1,5 auf 1,66. Bei älteren Männern war die bildungsspezifische Benachteilung in der Mortalität zwischen den Niedrigst- und Höchstgebildeten zwar geringer als bei den 30- bis 59-Jährigen, aber auch hier erhöhte sich der RII erheblich von 1,5 auf beinahe 2. Bei Frauen in dieser Altersgruppe stieg der RII von 1,43 auf 1,66.
Abb. 1: Verhältnis der altersstandardisierten Sterberaten zwischen den Niedrigst- und Höchstgebildeten in Österreich. Quelle: Österreichische Volkszählung zusammengeführt mit Sterberegister; eigene Berechnungen.
Studien zu bildungsspezifischen Sterblichkeitstrends wurden auch für Finnland, Norwegen, Dänemark, Turin (Italien), Neuseeland und die USA durchgeführt. In diesen Ländern wurden ebenfalls divergierende bildungsspezifische Mortalitätsunterschiede beobachtet. Internationale Studien führen das Auseinanderstreben der sozio-ökonomischen Unterschiede in der Gesamtsterblichkeit vorwiegend auf Trends in den Herz-Kreislauf-Krankheiten zurück. Personen mit höherem sozio-ökonomischem Status profitierten deutlich mehr vom Rückgang der Herz-Kreislauf-Erkrankungen als jene mit niedrigerem Status. In Norwegen und England wurde dieser Effekt auch bezüglich Lungenkrebs beobachtet. Eine Ursache für die Divergenz ist vor allem das weitere Auseinandergehen im Gesundheitsverhalten. Es kann angenommen werden, dass sich Höhergebildete auf Grund eines Informationsvorsprungs schneller einen empfohlenen Lebensstil hinsichtlich Ernährung, Bewegung und Rauchen angeeignet haben. Vermutlich erhalten Bessergestellte auch mehr neue medizinische Behandlungsmethoden, und sie nehmen häufiger Vorsorgeuntersuchungen wahr.
Das Divergieren der relativen Mortalitätsunterschiede weist auf allgemein steigende soziale Ungleichheiten hin. Es ist aber denkbar, dass sich in Zukunft auch die Niedriggebildeten auf einen gesünderen Lebensstil einstellen und – sobald die modernen medizinischen Verfahren zum Standard werden – auch ihnen diese Methoden vermehrt zu Gute kommen. Dies erfordert jedoch politische und gesellschaftliche Anstrengungen sowie Aufklärungsarbeit.