In den westlichen Industriestaaten ist der Anteil von Frauen mit höheren Bildungsabschlüssen in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen. Häufig wird dies als einer der Gründe für die sinkenden Geburtenraten in diesen Ländern angesehen, auch genährt durch die Vorstellung, dass Frauen mit einer hohen Ausbildung überdurchschnittlich häufig kinderlos bleiben.
Studien haben jedoch gezeigt, dass in Schweden die Kinderlosigkeit bei Frauen mit einem hohen Bildungsabschluss nicht höher liegt als bei Frauen mit einem niedrigen Bildungsabschluss. Beträchtliche Unterschiede in der Kinderlosigkeit bestehen jedoch nach Bildungsrichtungen: Schwedische Frauen mit einer Ausbildung für das Gesundheits- oder Unterrichtswesen sind deutlich seltener kinderlos als Absolventinnen anderer Ausbildungsrichtungen – egal, ob sie für ihre berufliche Laufbahn die Realschule, das Gymnasium oder die Universität besucht haben (vgl. Demografische Forschung aus Erster Hand 3/2005).
Nicht die Bildungshöhe, sondern vor allem die Bildungsrichtung ist damit ein wesentlicher Indikator für Kinderlosigkeit bei schwedischen Frauen. Lassen sich diese Ergebnisse auch für Deutschland und Österreich bestätigen? Während für Deutschland keine vergleichbaren Daten zur Verfügung stehen, konnte die vorliegende Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung für Österreich auf Volkszählungsdaten aus dem Jahr 2001 zurückgreifen. Wie in unserer schwedischen Studie betrachteten wir den Anteil kinderloser Frauen der Geburtsjahrgänge 1955 bis 1959 nach Bildungshöhe und -richtung. Diese Frauen waren zur Zeit der Volkszählung 41 bis 46 Jahre alt und hatten somit ihre reproduktive Lebensphase weitgehend abgeschlossen.
Abb. 1: Kinderlosigkeit nach Bildungshöhe: Schweden und Österreich.
Im Gegensatz zu Schweden spielt die Bildungshöhe in Österreich eine entscheidende Rolle bei der Geburtenplanung. Österreichische Frauen mit Gymnasial-, Fachhochschul- oder Universitätsabschluss weisen als Gruppe eine um fast zehn Prozentpunkte höhere Kinderlosigkeit auf als Frauen mit mittlerem oder niedrigem Bildungsabschluss (siehe Abbildung 1). Zu dieser deutlich höheren Kinderlosigkeit von Frauen mit hohem Ausbildungsgrad tragen nicht nur Akademikerinnen mit universitärem Werdegang bei, sondern auch die Gruppe von Frauen, die die Hochschulreife als die höchste von ihnen abgeschlossene Ausbildungsstufe angeben. In Österreich gibt es somit eine klare Segregation im Geburtenverhalten nach Bildungsstatus – wobei die Trennlinie zwischen Frauen ohne und mit Abitur verläuft.
Wie in Schweden bestehen auch in Österreich deutliche Unterschiede im Ausmaß der Kinderlosigkeit nach Ausbildungsrichtung. Frauen, die für das Unterrichts- und Gesundheitswesen oder die Landwirtschaft ausgebildet sind, bleiben seltener kinderlos als Frauen mit Abschlüssen aus anderen Berufsbereichen. Auch Frauen mit einer akademischen Ausbildung für einen technisch oder naturwissenschaftlich ausgerichteten Beruf haben eine im Vergleich zu anderen Bildungsrichtungen eher geringe Kinderlosigkeit. Hingegen weisen Frauen mit einem Abschluss in einem sozialwissenschaftlichen, geisteswissenschaftlichen oder künstlerischen Bereich eine relativ hohe Kinderlosigkeit auf: Rund ein Drittel – unter Sozialwissenschafterinnen fast 40 Prozent – der Frauen bleiben in Österreich ohne Nachwuchs.
Innerhalb der Ausbildungsrichtungen ist der Anteil kinderloser Frauen umso höher, je höher der Bildungsabschluss ist. Dies gilt für beide Länder – allerdings sind die Unterschiede in Österreich zum Teil deutlich ausgeprägter als in Schweden. So bleiben etwa 30 Prozent aller als Gymnasiallehrerinnen und 25 Prozent aller als Ärztinnen ausgebildeten Frauen in Österreich kinderlos – das ist eine um rund 15 Prozentpunkte höhere Kinderlosigkeit als bei Frauen mit einer Ausbildung als Grundschullehrerin oder Krankenschwester (siehe Abbildung 2). In Schweden hingegen gibt es diesbezüglich nur geringe Unterschiede.
Abb. 2: Kinderlosigkeit nach Bildungsrichtung in Österreich: Frauen der Geburtsjahrgänge 1955 bis 1959. Insgesamt liegen der Grafik rund 60 zusammengefasste Bildungsabschlüsse zugrunde.
Es gibt mehrere Erklärungen für die bildungsspezifischen Differenzen in der Kinderlosigkeit zwischen Schweden und Österreich. Die Bildungssysteme beider Länder sind sehr verschieden ausgerichtet. Das schwedische Gesamtschulsystem ist flexibel und durchlässig. Die Bildungspolitik hat zum Ziel, allen Personen den gleichen, lebenslangen Zugang zu Bildung zu ermöglichen und die Anpassung der Bildungsbeteiligung an persönliche, berufliche und familiäre Veränderungen zu erleichtern. Das österreichische Bildungssystem hingegen trennt Schülerinnen und Schüler schon in einem frühen Alter (nach vier Jahren Grundschule) in unterschiedliche Bildungswege. Die verschiedenen Schultypen sind intern weiter aufgegliedert. Im Lebensverlauf sind Um- und Wiedereinstiege ins Bildungssystem nur begrenzt möglich. Höhere Bildung ist in Österreich trotz eines Ausbaus der Bildungsmöglichkeiten ein Privileg, und die Matura markiert den Zugang zu sozial angeseheneren und meist besser bezahlten Positionen. Von den österreichischen Frauen der Geburtsjahrgänge 1955 bis 1959 haben nur 21 Prozent einen Gymnasialabschluss; nur zwölf Prozent einen Akademie-, Fachhochschul- oder Hochschulabschluss. In Schweden weist fast die Hälfte aller Frauen dieser Geburtskohorten einen Ausbildungsabschluss mit Hochschulreife auf; 30 Prozent haben einen noch höheren Bildungsabschluss. Aufbau und Selektivität des österreichischen Bildungssystems tragen vermutlich dazu bei, dass Frauen mit einer höheren Ausbildung eher kinderlos bleiben, um die mit hohen Bildungsabschlüssen verbundenen beruflichen Möglichkeiten nicht zu gefährden.
Unterschiedliche Ansätze in der Familienpolitik kommen hinzu: Familienpolitische Maßnahmen in Schweden sind auf den Erhalt der Erwerbstätigkeit von Müttern mit kleinen Kindern ausgerichtet; ein flexibles und einkommenserhaltendes Elterngeldsystem sowie ein umfassendes öffentliches Kinderbetreuungsangebot erleichtern den Erhalt der Berufstätigkeit trotz Kindern. Im Gegensatz dazu unterstützt die österreichische Familienpolitik die häusliche Betreuung der Kinder durch ihre Mütter. Auch eine Geschlechterpolitik, die wie in Schweden auf die Beseitigung geschlechts- und mutterschaftsbedingter Benachteiligungen und auf die Gleichheit aller zielt, konnte bislang in Österreich nicht etabliert werden. Die Konsequenzen dieser Politik scheinen sich in der hohen Kinderlosigkeit von Frauen mit höherer Ausbildung widerzuspiegeln.