ISSN 1613-8856

Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB)

Wer lange pendelt, verdient oft mehr

2014 | Jahrgang 11 | 3. Quartal

Keywords: Mobilität, Ökonomie, Pendeln, Geschäftsreisen, beruflicher Erfolg

Mitautor der wissenschaftlichen Studie: Heiko Rüger

Eine gewisse Mobilität im Berufsleben gilt heutzutage als selbstverständlich. In einer zunehmend flexiblen und globalisierten Arbeitswelt wird von den meisten Erwerbstätigen erwartet, dass sie ihre Arbeitsstätte von Zeit zu Zeit wechseln. Das belegen auch Zahlen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden: Demnach ist in Deutschland jeder fünfte Erwerbstätige zwischen 25 und 54 Jahren aus beruflichen Gründen mobil. Die Betroffenen sind für ihren Job entweder umgezogen, sie pendeln täglich oder am Wochenende oder gehen oft auf Geschäftsreisen.

Doch klettern diese Menschen auf der Karriereleiter wirklich stets höher als weniger mobile Erwerbstätige? Ein Team um Heiko Rüger vom BiB kommt diesbezüglich zu einer differenzierten Antwort: Ihrer Analyse zufolge ist Mobilität nicht in jeder Hinsicht ein Garant für Erfolg im Beruf. Zwar verdienen Menschen, die über lange Phasen hinweg viele Dienstreisen unternehmen oder fernpendeln, also länger als eine Stunde zu ihrer Arbeitsstätte unterwegs sind, im Durchschnitt mehr als ihre weniger mobilen Pendants. In anderen Faktoren, die auf Erfolg oder Misserfolg in der Karriere hinweisen, etwa in der Position innerhalb der Firmenhierarchie oder dem Berufsprestige, unterschieden sich die untersuchten Gruppen hingegen kaum. 

Für ihre Analyse, in der sie zentrale soziodemografische und erwerbsbezogene Merkmale berücksichtigten, werteten die Wissenschaftler die deutschen Daten der zweiten Welle der europäischen Studie „Job Mobilities and Family Lives in Europe“ aus. Hierfür waren im Jahr 2010 insgesamt 749 zufällig ausgewählte Personen zwischen 25 und 58 Jahren zu ihren bisherigen Jobs und der damit verbundenen Mobilität befragt worden. Anhand dieser Daten teilten die Forscher die Befragten zunächst in acht Gruppen mit typischen Erwerbs- und Mobilitätsverläufen ein. 

Die größte Gruppe mit 162 Personen (22 Prozent) machte die der Nicht-Mobilen aus. Die Lebenswege dieser Personen sind eher von Sesshaftigkeit geprägt: Während ihrer gesamten dargestellten Biografie waren sie höchstens ein Jahr lang in irgendeiner Form beruflich mobil. Im Gegensatz dazu steht beispielsweise die Gruppe der Pendelmobilen, die in der Analyse mit 105 Personen einen Anteil von 14 Prozent einnahm. Zu ihnen gehören all jene, die schon früh in ihrem Erwerbsleben mobil waren und dies, teilweise mit Unterbrechungen, im Durchschnitt 14 Jahre lang blieben (s. Abb. 1).

Abb. 1: Die Abbildung zeigt exemplarisch zwei von insgesamt acht typischen Mobilitätsverläufen. Dargestellt ist jeweils der prozentuale Anteil der verschiedenen Mobilitätsformen für jedes Alter zwischen 15 und 49 Jahren. Während beispielsweise beim oberen Verlaufstyp (Nicht-Mobile) im Alter von 37 Jahren fast alle Personen erwerbstätig und nicht mobil waren, legten beim unteren Verlaufstyp (Pendelmobile) im gleichen Alter die Mehrzahl der Befragten weite Strecken zwischen ihrem Arbeits- und Wohnort zurück. Quellen: Job Mobilities and Family Lives in Europe, eigene Berechnungen.

Wie die Forscher herausfanden, gehören zu den Nicht-Mobilen vermehrt ältere Menschen und solche mit einer eher geringen Bildung. Unter den Pendelmobilen fanden sich im Vergleich zu den übrigen Gruppen häufiger Männer, Personen ohne Hochschulabschluss und alleinerziehende Frauen. „Vor allem der letztgenannte Befund hat uns überrascht“, sagt Rüger. Er lasse sich aber vermutlich damit erklären, dass auch an erwerbstätige Frauen und Mütter zunehmend Mobilitätsanforderungen gestellt würden. „Gerade wenn sie alleinerziehend sind, begegnen die Frauen diesen Anforderungen offenbar eher mit Pendelmobilität, um die Stabilität der lokalen Netzwerke zu gewährleisten“, mutmaßt Rüger. 

Bei der Analyse aller Gruppen zeigte sich, dass Umzüge in den ersten Jahren der Erwerbskarriere wahrscheinlicher sind und mit 35 Jahren seltener werden. Pendelnde Berufstätige finden sich hingegen in allen Altersstufen zu etwa gleichen Anteilen. Insgesamt erweisen sich Männer als beruflich mobiler als Frauen. „Das liegt jedoch in erster Linie daran, dass Frauen seltener zu den Wochenendpendlern gehören und im Schnitt weniger Geschäftsreisen unternehmen“, erklärt Rüger. Alles in allem deuteten die Ergebnisse seines Teams darauf hin, dass räumliche Flexibilität zunehmend ein Instrument darstelle, um die Integration in den Arbeitsmarkt zu sichern oder den eigenen Job mit dem des Partners zu vereinbaren. „Vorteile bei der Karriereentwicklung für Menschen mit umfangreichen Mobilitätserfahrungen haben wir nur punktuell gesehen“, sagt Rüger. Insgesamt seien die Unterschiede zu den wenig mobilen Erwerbstätigen geringer als vermutet.

Literatur

  • Viry, G., Rüger, H., Skora, T.: Migration and long-distance commuting histories and their links to career achievement in Germany: a sequence analysis. Sociological Research Online 19(2014)1, 8.
    DOI: 10.5153/sro.3263

Aus Ausgabe 2014/3

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