ISSN 1613-8856

Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels

Das Recht zur Sorge

2018 | Jahrgang 15 | 3. Quartal

Keywords: Sorgerecht, Scheidung, Vaterschaft, Eltern-Kind-Beziehung, Trennung

Mitautorin der wissenschaftlichen Studie: Katja Köppen

Über die Beziehungen getrennt lebender Väter und Kinder weiß man in den meisten europäischen Ländern noch recht wenig. Im Gegensatz zu den USA, Kanada und Großbritannien gibt es kaum Erhebungen dazu, ob und wie intensiv diese Väter mit ihren Kindern in Kontakt bleiben. Katja Köppen und Heike Trappe vom Rostocker Zentrum sowie Michaela Kreyenfeld von der Hertie School of Governance zeigen für Deutschland, wie oft sich getrennt lebende Väter und ihre Kinder sehen und welche Faktoren ihre Beziehung beeinflussen. In ihrer Untersuchung werteten die drei Forscherinnen Angaben von knapp 300 Vätern aus dem Beziehungs- und Familienpanel „pairfam“ aus. Sie zeigen unter anderem, dass Väter auch viele Jahre nach einer Trennung noch regelmäßigen Kontakt zu ihren Kindern halten, wenn sie sich das Sorgerecht mit der Mutter teilen (s. Abb. 1). 

Abb. 1: Je mehr Jahre nach der Trennung vergehen, desto weniger Väter halten regelmäßigen Kontakt zum Kind. Bei Vätern mit Sorgerecht ist dieser Rückgang allerdings deutlich geringer.  Quelle: Familien- und Beziehungspanel pairfam Welle 2-Welle 8, eigene Berechnungen

Die Wissenschaftlerinnen bildeten in den Analysen zwei Gruppen. Eine Gruppe von Vätern, die ihre Kinder regelmäßig, d.h. mindestens einmal im Monat sieht, und eine Gruppe, die höchstens einige Male im Jahr und damit selten Kontakt zum Kind hat. Insgesamt fallen 67 Prozent der befragten Väter in die erste Gruppe mit regelmäßigem Kontakt. Bei genauerer Analyse zeigen sich aber mehrere Faktoren, die einen regelmäßigen Kontakt wahrscheinlicher machen. An erster Stelle steht dabei das gemeinsame Sorgerecht, das heißt – grob formuliert – das Recht, das Kind zu erziehen, zu beaufsichtigen und es gesetzlich zu vertreten. Erst seit 1998 ist es in Deutschland für unverheiratete Väter überhaupt möglich, das gemeinsam Sorgerecht zu beantragen. Geschiedene Väter erhalten seitdem quasi automatisch das gemeinsame Sorgerecht, es sei denn, gewichtige Gründe (wie bspw. Konflikt oder Fehlverhalten der Eltern) sprechen dagegen. 

81 Prozent der Väter, die sich das Sorgerecht mit den Müttern teilten, hatten zum Zeitpunkt der Befragung regelmäßigen Kontakt zu ihren Kindern. Bei den Vätern ohne Sorgerecht waren es mit 46 Prozent nicht einmal die Hälfte. Weitere Faktoren, die einen regelmäßigen Kontakt zum Kind wahrscheinlicher machen, sind ein hohes Bildungsniveau und eine Erwerbstätigkeit. Während von den gering und durchschnittlich gebildeten Vätern 62 bzw. 60 Prozent regelmäßigen Kontakt haben, sind es bei den Akademikern 79 Prozent. Auch bei den erwerbstätigen Vätern haben 70 Prozent regelmäßigen Kontakt, während es bei den arbeitslosen oder in der Ausbildung befindlichen Vätern lediglich 57 Prozent sind (s. Abb.2). Darüber hinaus ist auch die Beziehungsgeschichte von Bedeutung. Lebten Vater und Mutter bei der Geburt des Kindes nicht zusammen, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass der Vater regelmäßigen Kontakt hält. Ob die Eltern verheiratet waren oder unverheiratet zusammenlebten, spielt hingegen kaum ein Rolle. Heiratet der Vater allerdings erneut oder bekommt mit einer neuen Partnerin ein weiteres Kind, kann das den Kontakt zum ersten Kind verringern. 

Abb. 2: Eine Erwerbstätigkeit, eine hohe Bildung und vor allem das gemeinsame Sorgerecht vergrößern die Wahrscheinlichkeit, dass getrennt lebende Väter regelmäßigen Kontakt zu ihren Kindern halten. Quelle: Familien- und Beziehungspanel pairfam Welle 2-Welle 8, eigene Berechnungen

Vor allem auf lange Sicht zeigt sich ein deutlicher Effekt, der die meisten anderen Faktoren überlagert: Bei den Vätern ohne Sorgerecht hatten direkt nach der Trennung zwar noch 75% regelmäßigen Kontakt zum Kind, nach zehn Jahren traf dies aber nur noch auf jeden dritten Vater zu (s. Abb.1). Bei den Vätern mit Sorgerecht dagegen hatten auch zehn Jahre nach der Trennung noch fast drei Viertel der Väter regelmäßigen Kontakt zum Kind. Zudem zeigt sich, dass das gemeinsame Sorgerecht über alle Lebensformen hinweg die Kontakthäufigkeit erhöht. 

Prinzipiell ist es möglich, dass nicht das Sorgerecht den Vater-Kind-Kontakt fördert, sondern, dass es eher die engagierten Väter sind, die sich um ein (gemeinsames) Sorgerecht bemühen. Doch selbst wenn die Bildung und die Erwerbstätigkeit der Väter berücksichtigt und eingerechnet wurden, blieb der positive Effekt des Sorgerechts bestehen. Die Autorinnen unterstreichen daher, dass Familienpolitik, wie insbesondere die Ermöglichung der gemeinsamen Sorge bei nichtverheirateten Eltern, wichtige Impulse gibt, damit Väter auch nach einer Trennung im Leben ihrer Kinder präsent bleiben. 

Literatur

  • Köppen, K., M. Kreyenfeld and H. Trappe: Loose ties? Determinants of father-child contact after separation in Germany. Journal of Marriage and Family [First published online: 13 June 2018].
    DOI: 10.1111/jomf.12504

Aus Ausgabe 2018/3

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