ISSN 1613-8856

Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB)

Mit mehr Bildung zu mehr Arbeit?

2022 | Jahrgang 19 | 2. Quartal

Keywords: Demografische Dividende, Frauen-Erwerbsbeteiligung, Geschlecht, Subsahara Afrika , Bildung, Geburtsjahrgänge

Mitautor der wissenschaftlichen Studie: Andreas Backhaus

Darin analysieren Andreas Backhaus und Elke Loichinger für 13 Länder südlich der Sahara, wie sich die Bildungs- und Erwerbsbeteiligung der Frauen verändert hat. Mit Hilfe von Daten des Minnesota Population Centers (IPUMS International) können sie die unterschiedlichen Bildungsniveaus und die Arbeitsmarktbeteiligung der Geburtsjahrgänge 1970, 1975, 1980, 1985, 1990 und 1995 vergleichen, die diese jeweils im Alter von 15 bis 19, von 20 bis 29 und von 30 bis 39 Jahren aufwiesen. 

Denn die stagnierende Erwerbsquote von Frauen in Subsahara-Afrika könnte mit starken Veränderungen in bestimmten Altersgruppen zusammenhängen: Wer mit 17 Jahren noch eine weiterführende Schule oder mit 21 Jahren die Universität besucht, wird in der Regel keiner normalen Erwerbstätigkeit nachgehen. In diesen Altersgruppen sinkt dann die Erwerbsbeteiligung deutlich, könnte aber im Gegenzug in höheren Altersgruppen durch die verbesserte Bildung ansteigen. Es kann also eine Weile dauern, bis das Bildungsplus auch tatsächlich auf dem Arbeitsmarkt ankommt. 

Insgesamt sind die untersuchten Länder – Benin, Botswana, Ghana, Kenia, Lesotho, Malawi, Mali, Ruanda, Senegal, Südafrika, Tansania, Uganda und Sambia – gesellschaftlich und wirtschaftlich sehr heterogen. Die grundsätzliche Entwicklung – eine Zunahme der Bildung bei gleichzeitig sinkender Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen im Alter von unter 20 Jahren – ist  jedoch auf unterschiedlichen Niveaus in fast allen Ländern zu beobachten. Im Schnitt ist die Arbeitsmarktbeteiligung von jüngeren Frauen in den untersuchten Ländern deutlich zurückgegangen. So ist von den im Jahr 1970 Geborenen noch die Hälfte aller 15- bis 19-Jährigen einer Erwerbsarbeit nachgegangen. Bei dem jüngstenbeobachteten Jahrgang, den im Jahr 1995 Geborenen, lag die Quote bereits gut 20 Prozentpunkte niedriger. Bei den 20- bis 29-Jährigen dagegen sind die Unterschiede zwischen den Geburtsjahrgängen wiederum deutlich kleiner, bei den 30- bis 39-Jährigen sind sie kaum noch vorhanden, da in dieser Altersgruppe der Bildungsweg abgeschlossen ist (s. Abb. 1). 

Erwerbsbeteiligung der Frauen nach Altersgruppen und Geburtsjahrgängen in Ländern südlich der Sahara

Erwerbsbeteiligung der Frauen nach Altersgruppen und Geburtsjahrgängen in Ländern südlich der Sahara

Abb. 1: Während sich die weibliche Erwerbsbeteiligung der verschiedenen Jahrgänge im Alter von 15 bis 19 Jahren in Subsahara-Afrika sehr stark unterscheidet, gleicht sie sich mit zunehmendem Alter an. Quelle: IPUMS International, eigene Berechnungen

Gleichzeitig lässt sich in den untersuchten Ländern eine deutliche Zunahme der Schulbesuchszeit beobachten: Während bei den 1970 Geborenen nicht einmal jede dritte 15- bis 19-Jährige eine Schule besuchte, waren es bei den 1995 Geborenen bereits fast 60 Prozent. Auch die durchschnittliche Anzahl an Schuljahren stieg von ca. 4,5 Jahren bei den 1970, 1975 und 1980 Geborenen auf fast sieben Jahre bei den 1995 Geborenen. Mit der Bildung steigt zudem auch der Anteil an Frauen, die nicht im Primärsektor arbeiten, das heißt nicht in rohstofferzeugenden Branchen wie der Landwirtschaft oder der Fischerei. 

Diese demografischen Veränderungen in den Ländern südlich der Sahara unterscheiden sich wesentlich von denen, die in wirtschaftlich hochentwickelten Industrieländern beobachtet wurden. Schaut man sich beispielsweise die Erwerbsbeteiligung von Frauen in Ghana über verschiedene Altersstufen und von verschiedenen Geburtsjahrgängen an, so ist deutlich zu sehen, dass die Erwerbsquote innerhalb der Altersgruppe 15-19 stark absinkt, je später die Frauen geboren wurden. Ab der Altersgruppe 20-29 unterscheiden sich die verschiedenen Generationen im weiteren Verlauf der über das Leben an- und absteigenden Erwerbskurve nicht mehr stark (s. Abb. 2), das heißt die nachkommenden Generationen zeigen dann eine sehr ähnliche Erwerbsbeteiligung wie die vorhergehenden. In einem wirtschaftlich bereits hochentwickelten Industrieland wie Deutschland dagegen ist die Erwerbsbeteiligung jüngerer Frauen bereits seit den 1980er-Jahrgängen stabil auf niedrigem Niveau verblieben (s. Abb. 2). Große Unterschiede zwischen den weiblichen Generationen lassen sich stattdessen am anderen Ende der Erwerbskurve etwa ab dem Alter von 40 Jahren beobachten: Nachfolgende Generationen sind hier deutlich häufiger erwerbstätig. 

Erwerbsbeteiligung von Frauen nach Altersgruppen und Geburtsjahrgängen

Erwerbsbeteiligung von Frauen nach Altersgruppen und Geburtsjahrgängen

Abb. 2: Ghanaerinnen im Alter von 15 bis 19 Jahren, die zwischen 1991 und 1995 geboren wurden, gehen deutlich seltener einer Erwerbsarbeit nach als Frauen, die in den 1970ern oder 1980ern geboren wurden. In höheren Altersgruppen liegt die Erwerbsbeteiligung der nachfolgenden Generationen dagegen gleichauf mit der der vorhergehenden. In Deutschland dagegen erreichen nachfolgende Geburtsjahrgänge höhere Werte als vorangehende. Quelle: ILOSTAT, Labour force statistics (LFS) database, eigene Berechnungen

Um den Zusammenhang zwischen Bildung und Arbeitsmarktbeteiligung unter Berücksichtigung der starken Verschiebungen zwischen den Geburtsjahrgängen in Subsahara-Afrika zu untersuchen, führen die beiden Forscher*innen auch so genannte Regressionsanalysen durch. Diese Form der Analyse erlaubt es, Unterschiede, die auf Besonderheiten der einzelnen Staaten, der jeweiligen Altersgruppe oder des jeweiligen Geburtsjahrganges zurückzuführen sind, herauszurechnen. 

Für die jüngste Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen lässt sich zunächst der sehr starke negative Zusammenhang zwischen Schulbesuch und Erwerbsbeteiligung bestätigen: Mit jedem Prozentpunkt, um den sich die Schulbesuchsrate dieser Altersgruppe erhöht, sinkt ihre Erwerbsbeteiligung um einen Prozentpunkt. 

Anders sieht das aus, wenn man alle drei Altersgruppen betrachtet, also Frauen zwischen 15 und 39 Jahren, und nach Zusammenhängen zwischen der Erwerbsbeteiligung und den erreichten Bildungsjahren der Frauen sucht: Die Werte für die einzelnen Geburtsjahrgänge sind dann breit gestreut und lassen zunächst einmal keinen Zusammenhang zwischen Schulbildung und Erwerbsbeteiligung erkennen. Rechnet man besondere Länder- und Altersgruppeneffekte heraus, sind die Werte zwar weniger breit gestreut, aber es zeigt sich noch immer kein signifikanter Zusammenhang. Erst wenn die Unterschiede zwischen den Geburtsjahrgängen berücksichtigt werden, ergibt sich ein ganz deutliches Bild: Nimmt die durchschnittliche Anzahl der Bildungsjahre der Frauen um ein Jahr zu, dann steigt ihre Erwerbsbeteiligung um ganze elf Prozentpunkte. 

Die steigenden Bildungsinvestitionen junger Frauen könnten also Auswirkungen auf die sogenannte „demografische Dividende“ haben. Die demografische Dividende ist ein Entwicklungsschub eines Landes, der sich einstellen kann, wenn sich aufgrund von sinkenden Geburtenzahlen die Altersstruktur einer Bevölkerung verschiebt: Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wächst dann schneller als die Gesamtbevölkerung – der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter nimmt zu. Die Kombination dieser Änderung in der Altersstruktur mit Investitionen in Bildung und Gesundheit, produktiven Beschäftigungsmöglichkeiten als auch unterstützenden institutionellen Rahmenbedingungen haben zum Beispiel in Südkorea, Taiwan und Singapur in der Vergangenheit zu hohem Wirtschaftswachstum geführt. 

In Subsahara-Afrika stellen die 15- bis 19-Jährigen immerhin etwa ein Fünftel der erwerbstätigen Bevölkerung. Für die Zukunft sei es möglich, dass die besser gebildeten Frauen, die dann auch in ein höheres Alter kommen, für einen Anstieg der Erwerbsbeteiligung sorgen werden, schreiben Backhaus und Loichinger. Auch werden voraussichtlich mehr Frauen im nicht-primären Arbeitssektor arbeiten. Ihr Anteil, so ergaben die Analysen, steigt mit jedem Jahr zusätzlicher Schulbildung um gut sechs Prozentpunkte. Da die durchschnittliche Ausbildungszeit von Frauen in Subsahara-Afrika Prognosen zufolge auch zukünftig weiter wachsen wird, ist es möglich, dass die demografische Dividende in Form von höheren Erwerbsquoten und mehr Arbeit im nicht-primären Sektor alsbald einsetzen wird.

Literatur

  • Backhaus, A. and E. Loichinger: Female labor force participation in sub-Saharan Africa: a cohort analysis. Population and Development Review [First published online: 02 May 2022].
    DOI: 10.1111/padr.12492

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Aus Ausgabe 2022/2

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