Jetzt schon ein Kind oder doch erst später? Lieber abwarten, bis man sattelfest im Job ist, bevor man sich für ein Kind entscheidet? Was ist, wenn das Geld nicht reicht? Wann ist der richtige Zeitpunkt für das zweite Kind? Brauche ich eine stabile Partnerschaft für die Familiengründung? Die Familienplanung kann durchaus von Unsicherheit geprägt sein. Unsicherheit in der Familienplanung bezieht sich dabei auf den Zustand, wenn Frauen und Männer nicht sicher sind, ob sie ein erstes oder ein weiteres Kind haben wollen.
Die Forscherin Anne-Kristin Kuhnt vom Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels und ihre Ko-Autorinnen Lara Minkus von der Europa-Universität Flensburg und Petra Buhr von der Universität Bremen haben diese Unsicherheit in der Familienplanung in den Fokus einer Studie gerückt, die im Journal of Family Research veröffentlicht wurde. Die Wissenschaftlerinnen wollen wissen, ob Unsicherheit über den Lebensverlauf stabil ist und welche Faktoren Unsicherheit bei der Familienplanung beeinflussen.
Prozentuale Verteilung der Fertilitätsabsichten nach Geschlecht
Abb. 1: In dieser Studie wurden Daten von Männern und Frauen hinzugezogen. Ein Ergebnis: Männer geben häufiger an, unsicher zu sein als Frauen. Quelle: pairfam, eigene Berechnungen.
Bei den wenigen Untersuchungen, die es zu der Unsicherheit in den Fertilitätsabsichten (uncertainty in fertility intentions), so der Fachbegriff, bisher gab, wurden einzelne Bevölkerungsgruppen, zum Beispiel Frauen einer Altersklasse, einmalig befragt. Kuhnt und ihre Kolleginnen haben jetzt einen anderen Ansatz gewählt, den so genannten „life course approach“, zu deutsch „Lebenslauf-Ansatz“. Sie haben untersucht, ob sich Unsicherheit bei den Fertilitätsabsichten über die Zeit hinweg verändert, ob zum Beispiel Unsicherheit in den frühen Zwanzigern genauso oft verbreitet ist wie mit Mitte Dreißig. Sie haben sich neben diesem zeitlichen Verlauf auch den Lebenslauf prägende Ereignisse, wie zum Beispiel den Verlust des Jobs, die Trennung vom Partner oder die Anzahl der Geburten angeschaut. Als Datengrundlage nutzten sie das 2008 gestarteten Beziehungs- und Familien-Panel (pairfam, Panel Analysis of Intimate Relationships and Family Dynamics), in dessen Rahmen jährlich bundesweit über 12.000 zufällig ausgewählte Personen wiederholt befragt werden. Aus dieser Längsschnittstudie haben die Forscherinnen sich die Daten von drei Kohorten über einen Zeitraum von elf Jahren angeschaut und untersucht, wie sich die Faktoren „Alter“, „Beziehungsstatus“, „Zahl der Kinder“, „wirtschaftliche Situation“ und „Geschlecht“ auf die Fertilitätsabsichten auswirken. Weil diese Faktoren nicht genau so in dem Panel abgefragt werden, mussten sie ein wenig in die Trickkiste greifen: Sie nutzten für ihre Analyse die Frage an Kinderlose „Wenn man Sie ganz realistisch fragt, wieviele Kinder Sie haben wollen, was ist Ihre Antwort?“ Personen mit Kindern wurde eine leicht abgeänderte Frage gestellt. Wenn als Antwort eine bestimmte Zahl an Kindern gegeben wurde, wurde diese Antwort als „sicher ja“ gewertet. Wenn die Antwort lautete „ich bin mir nicht sicher“ wurde sie als „unsicher“ gewertet. Die Antwort „0 Kinder“ wurde als „sicher nein“ kategorisiert.
Fertilitätsabsichten in den unterschiedlichen Altersabschnitten
Abb. 2: Die Fertilitätsabsichten verändern sich über den Lebenslauf-Marker „Alter“ hinweg. Unsicherheit tritt verstärkt am Ende der reproduktiven Phase im Lebenslauf auf: In der Altersklasse 30 bis 37 sagen 11% der Menschen, dass sie sich unsicher sind, ob sie noch ein (weiteres) Kind wollen. Quelle: pairfam, eigene Berechnungen.
Die Wissenschaftlerinnen stellten fest, dass die Fertilitätsabsichten und die Faktoren, die die Unsicherheit in den Fertilitätsabsichten beeinflussen, sich im Laufe des Lebens sehr stark verändern. Ein Ergebnis ihrer Untersuchung ist, dass das Erreichen des Endes der reproduktiven Lebensspanne (Älterwerden) ein ganz entscheidender Faktor für Unsicherheit ist (s. Abb. 2). So gaben 11 Prozent der Menschen in der Altersklasse 30 bis 37 an, unsicher zu sein, ob sie (noch) ein Kind wollen, in der Altersklasse 22 bis 29 waren es nur 7,8 Prozent, in der Altersklasse unter 22 sogar nur 5,1 Prozent. Wie wichtig es ist, die Daten nicht nur punktuell, also zu einem einzigen Zeitpunkt im Leben, zu untersuchen, zeigte sich zum Beispiel darin, dass viele Befragte sehr häufig die eigenen Angaben zu den Fertilitätsabsichten änderten: Mehr als die Hälfte machte zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedliche Angaben. Überraschend war dabei auch folgende Zahl: Jede*r fünfte Befragte veränderte die Aussage mehr als neun Mal. Ein direkter Wechsel von „ja“ zu „nein“ oder umgekehrt war im Vergleich zu einem Wechsel zu Unsicherheit oder aus der Unsicherheit heraus eher selten (s. Abb. 3). Das zeige, so die Wissenschaftlerinnen, dass Unsicherheit in den Fertilitätsentscheidungen eine Übergangsphase darstelle. Wichtige Faktoren für Unsicherheit sind darüber hinaus die Trennung vom Partner oder der Partnerin und bei Männern subjektive wirtschaftliche Ängste. Die Forscherinnen stellten außerdem fest, dass die Unsicherheit bei Menschen, die schon ein oder zwei Kinder haben, größer ist als bei Menschen, die noch kein oder ein Kind haben. Ursache dafür könnte die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie sein.
Übergänge zwischen den Fertilitätsabsichten
Abb. 3: Dargestellt sind die Daten der 51% aller Befragten, die mindestens ein Mal im Verlauf des Beobachtungszeitraums ihre Fertilitätsabsichten änderten. Von „ja“ zu unsicher ist relativ häufig (22%), am häufigsten ist aber der direkte Übergang von „ja“ zu „nein“ (28%). Jede*r fünfte Befragte änderte zudem die Aussage mehr als neun Mal. Quelle: pairfam, eigene Berechnungen.
Die subjektive Wahrnehmung der wirtschaftlichen Ressourcen ist ausschlaggebend: Immer dann, wenn Männer angaben, einen Job zu suchen oder Angst zu haben, keinen angemessenen Job zu finden, äußerten sie sich signifikant unsicherer, was ihre Absicht, Kinder zu kriegen, anging. Insgesamt gaben 9,35 Prozent der Männer an, unsicher zu sein, bei Frauen waren es nur 6,6 Prozent.
Die Forscherinnen weisen darauf hin, dass Unsicherheit ein Phänomen ist, mit dem ein großer Anteil von Frauen und Männern in unterschiedlichen Altersstufen im Laufe ihres Lebens in Berührung kommt. Diese Unsicherheiten können, so die Forscherinnen, weitreichende private, wie auch gesellschaftliche Implikationen haben: Sollten sie dazu führen, dass Menschen ihren Kinderwunsch nach hinten verschieben, kann es sein, dass sie weniger Kinder bekommen als sie sich eigentlich gewünscht haben - aus biologischen Gründen oder weil soziale Altersnormen sie davon abhalten weitere Kinder zu kriegen.
Die Ergebnisse werfen auch neue Fragen auf. Da einige untersuchte Faktoren einen Einfluss auf Unsicherheit, aber auch auf den Verzicht auf weitere Kinder gezeigt haben, sollte weitere Forschung klären, ob es Lebensverlaufmerkmale gebe, die ausschließlich mit Unsicherheit verbunden sind, so die Wissenschaftlerinnen.