ISSN 1613-8856

Max-Planck-Institut für demografische Forschung

Einblicke in das letzte Lebensjahr

2023 | Jahrgang 20 | 3. Quartal

Keywords: Mortalität, Schweden, Letztes Lebensjahr, Todesursachen, Pflegebedarf

Wissenschaftlicher Ansprechpartner: Marcus Ebeling

Die meisten Menschen beschäftigt die Frage, wie sie ihr Lebensende verbringen werden. Allerdings gibt es keinen klaren Konsensus darüber, was „ein guter Tod“ ist. Eigenständigkeit, keine Schmerzen haben, keine unnötigen lebensverlängernden Maßnahmen – das sind einige der Punkte, von denen man weiß, dass Menschen sie sich für ihr Lebensende wünschen. Für die Gesellschaft ist die Frage, wie das Lebensende aussieht, genauso wichtig. Wie viel finanzielle Mittel müssen die Krankenkassen einplanen? Welche Ressourcen müssen der Pflegeversicherung zur Verfügung gestellt werden? Kurzum: Die Lebenszeit vor dem Tod ist besonders kostspielig und mit einer alternden Bevölkerung muss sichergestellt werden, dass die wachsende Zahl an alten Menschen angemessen versorgt wird. Dies sind politische Entscheidungen, die eine wissenschaftlich fundierte Basis erfordern.

Anzahl der Todesfälle nach Alter und Art des Lebensendes

Abb. 1:Anzahl der Todesfälle nach Alter und Art des Lebensendes für Menschen im Alter von 70 und älter, eingeteilt nach Frauen und Männern in Schweden, 2018–2020

Überraschenderweise gibt es wenig Forschung, die Antworten auf diese Fragen liefert. Es gibt einige Studien, die Einblicke in verschiedene Aspekte des Lebensendes lieferten. Diese Studien konzentrierten sich entweder auf einen bestimmten Aspekt, wie zum Beispiel den Zeitpunkt, zu dem Menschen pflegebedürftig werden, oder sie stützten sich auf Teilstichproben der Bevölkerung. Die Verläufe am Lebensende wurden bisher nicht mit der gesellschaftlichen Ebene verknüpft oder im Kontext der Sterblichkeit der Bevölkerung analysiert. Diese Lücke schließt jetzt eine neue Studie, die Marcus Ebeling vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung gemeinsam mit Kolleg*innen vom Karolinska Institutet in Stockholm veröffentlicht hat.

Für ihre Studie nutzten die Forscher*innen Daten des schwedischen Todesursachenregisters. Aus diesem Register, in dem Todesdatum und Todesursache aller Schwed*innen hinterlegt sind, analysierten sie die Daten aller Menschen, die in Schweden in den Jahren 2018 bis 2020 in einem Alter von mindestens 70 Jahren verstorben sind. Daten zur Inanspruchnahme stationärer und ambulanter Pflege während des letzten Lebensjahres lieferte das schwedische Sozialdienstregister. Informationen zum Umfang und zur Art des Bedarfs an medizinischer Versorgung kamen aus dem schwedischen Patientenregister. Anhand des Diagnoseschlüssels konnten sie ableiten, welche Erkrankungen vorlagen. Die Wissenschaftler*innen identifizieren sechs verschiedene Arten von Verläufen am Lebensende:

  • plötzlicher Tod
  • unheilbar krank
  • mit gesundheitlichen Einschränkungen
  • mit gesundheitlichen Einschränkungen und hohem Bedarf an medizinischer Versorgung
  • mit hohem Pflegebedarf
  • mit hohem Pflegebedarf und hohem Bedarf an medizinischer Versorgung

Die Forscher*innen kamen zu dem Ergebnis, dass zwei Dritteln aller Todesfälle ein hohes Maß an Pflegebedarf im letzten Lebensjahr voranging. Fast die Hälfte der Menschen mit diesem Verlauf brauchte außerdem umfangreiche medizinische Versorgung. Der hohe Pflegebedarf bereits zu Beginn des letzten Lebensjahres könnte auf einen langsameren Verlauf zum Tod hindeuten. Das unterscheidet sich von den schneller fortschreitenden Typen „plötzlicher Tod“ und „unheilbar krank“, so die Forscher*innen. Damit könne man grob zwei Verläufe identifizieren, nämlich einen schnell und einen langsam fortschreitenden Sterbeprozess. Mit zunehmendem Sterbealter werden schnell voranschreitende Verläufe seltener, während der langsamere Verlauf häufiger auftritt. Diese Muster könnten, so die Autor*innen, darauf hindeuten, dass ein höheres Sterbealter teilweise das Ergebnis eines längeren Sterbeprozesses ist. Plötzliche und unerwartete Todesfälle, früher die häufigste Todesart, stellen in der Analyse mit jeweils nur 11 Prozent die kleinsten Gruppen dar, während die langsameren Verläufe am häufigsten vorkommen, was die Hypothese stützt, dass ein längeres Leben vor allem einen längeren Sterbeprozess mit sich bringt.

Weitere Untersuchungen hierzu seien erforderlich, um die Zukunft des Sterbens in alternden Gesellschaften zu gestalten und den Herausforderungen und Folgen einer immer größer werdenden Lebensspanne zu begegnen, so die Autor*innen.

Literatur

  • Ebeling, M., A. C. Meyer and K. Modig: Variation in end-of-life trajectories in persons aged 70 years and older, Sweden, 2018-2020. American Journal of Public Health 113(2023)7, 786-794.
    DOI: 10.2105/AJPH.2023.307281

Aus Ausgabe 2023/3

Artikel

Infoletter

Der kostenlose Infoletter erscheint viermal jährlich und ist sowohl als elektronische wie auch als Druckversion erhältlich.