Um der Frage nachzugehen, inwiefern sich die Produktivität von Unternehmen mit dem Altern der Belegschaft verändern kann, analysiert eine Studie* des Wiener Instituts für Demographie die Beziehung zwischen der Altersstruktur der Beschäftigten und der Produktivität von Firmen in Österreich.
Bislang wurden zur Messung der altersspezifischen Produktivität üblicherweise Maße herangezogen, die Schwächen haben: So wurden etwa von Managern ausgefüllte Fragebögen über die Produktivität der Arbeitnehmer eingesetzt oder die Stückzahl und Qualität der hergestellten Produkte über eine gewisse Zeit gemessen. Doch subjektive Einschätzungen können zu Verzerrungen führen, und in einer sich verändernden Arbeitswelt sind Maße, wie sie bei Fließbandarbeiten angewandt werden, für immer weniger Arbeitnehmer einsetzbar.
Ein objektiver Ansatz, welcher ebenso einen Großteil der Arbeitnehmer umfasst, beruht auf so genannten „Arbeitgeber-Arbeitnehmer“-Datensätzen, in denen soziodemografische Informationen über die Arbeitnehmer eines Unternehmens (z.B. Alter, Geschlecht, Bildung, Beruf, Arbeitszeit) mit wichtigen unternehmensspezifischen Merkmalen (z.B. Größe, Alter oder Umsatz des Unternehmens, Branche) kombiniert werden. Die in den Unternehmen geleistete Arbeitsproduktivität kann in Form des Umsatzes, des Produktionswerts oder der Wertschöpfung pro Beschäftigtem erfolgen. Sie wird in Abhängigkeit von der Altersstruktur und von weiteren soziodemografischen Merkmalen der Beschäftigten sowie von firmenspezifischen Charakteristika analysiert.
Derartige Datensätze existieren bereits für andere Länder, etwa für die USA, Schweden oder Deutschland – für Österreich jedoch bisher nicht. Im Rahmen eines von der Europäischen Kommission und der Oesterreichischen Nationalbank geförderten Projektes sowie in Kooperation mit Statistik Austria wurde durch Zusammenführung der Leistungs- und Strukturerhebung 2001 und der Volkszählung 2001 ein Datensatz generiert, welcher 34.374 Unternehmen und 1.563.873 Erwerbstätige umfasst.
Betrachten wir alle Unternehmen, so ist ein höherer Anteil älterer Arbeitnehmer mit einer geringeren Produktivität auf Firmenebene verbunden (siehe Tabelle 1). Diese Ergebnisse müssen jedoch mit Vorsicht interpretiert werden. Denn dieser negative Zusammenhang könnte etwa daran liegen, dass Firmen mit geringerer Produktivität weniger junge Arbeitnehmer aufnehmen. Andererseits könnte der negative Zusammenhang sogar unterschätzt werden, wenn ein größerer Anteil gerade derjenigen älteren Arbeitnehmer in den Unternehmen verbleibt, die sich als motivierter und aktiver erweisen, während weniger produktive ältere Arbeitnehmer früher aus dem Arbeitsleben ausscheiden.
Tab. 1: Zusammenhang zwischen Altersstruktur von Beschäftigten und Firmenproduktivität für alle Unternehmen und getrennt für kleine (weniger als 50 Mitarbeiter) und große (50 oder mehr Mitarbeiter) Unternehmen; Vergleich der jüngeren bzw. älteren Beschäftigten mit mittelalten (30 - 49 Jahre) Datenbasis: „Arbeitgeber-Arbeitnehmer“ – Datensatz 2001 für Österreich (eigene Berechnungen); Kontrolliert für soziodemografische Merkmale der Beschäftigten und für firmenspezifische Charakteristika; Interpretation: Steigt der Anteil älterer Mitarbeiter in kleinen Unternehmen, so wirkt sich das negativ auf die Firmenproduktivität aus - in großen Unternehmen ist das nicht der Fall (siehe untere Zeile, vorletzte und letzte Spalte).
Auch wenn das Ergebnis aufgrund möglicher Verzerrungen mit Vorsicht zu interpretieren ist, so passt der gefundene negative Zusammenhang von Altersstruktur und Firmenproduktivität doch gut zu ähnlichen Studien aus den Niederlanden, den USA, Dänemark, Norwegen oder Finnland. Über den Lebenszyklus betrachtet zeigt sich, dass die durchschnittliche Produktivität einem umgekehrt U-förmigen Verlauf folgt. Zunächst steigt die Produktivität an, erreicht ein Maximum im Haupterwerbsalter (zwischen 30 und 50 Jahren) und sinkt gegen Ende des Arbeitslebens wieder ab. Diese Ergebnisse werden durch Untersuchungen auf Individualebene unterstützt, welche den Altersverlauf kognitiver Fähigkeiten betrachten: Die mit Geschwindigkeit, Abstraktion und Lernen verbundenen Fähigkeiten erfahren bereits ab dem Alter von 30 Jahren Einbußen, während Wissen und Erfahrung bis ins höhere Alter erhalten bleiben.
Ein weiteres Ergebnis der Studie lässt einfache Schlussfolgerungen in kritischem Licht erscheinen. Zwar kann in kleineren Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern ein negativer Zusammenhang zwischen dem Anteil älterer Arbeitskräfte und der Arbeitsproduktivität nachgewiesen werden – nicht jedoch in größeren Unternehmen (siehe Tabelle 1). Eine mögliche Erklärung könnte in den großzügigen Sozialprogrammen liegen, welche die Kündigung älterer Arbeitnehmer in größeren Firmen stärker forciert. Erhalten blieben dann vorwiegend die bewährten, produktiven älteren Arbeitnehmer.Weitere Erklärungen wären, dass in größeren Firmen oft das physische Kapital in Form von Maschinen und Geräten für die Produktivität des Unternehmens bedeutender ist – entsprechend spielt das Altersprofil der Belegschaft eine geringe Rolle für die Produktivität. Ebenso kann die stärkere Ausdifferenzierung der Aufgaben in großen Firmen ein altersgerechteres Einsetzen von Beschäftigten ermöglichen.
Wir können keine eindeutigen Politikempfehlungen zur Produktivität älterer Arbeitnehmer und deren fortgesetzter Beschäftigung, etwa über die heutige Renteneintrittsgrenze hinaus, aus unserer Studie ableiten. Sie zeigt jedoch, dass der negative Zusammenhang zwischen dem Anteil älterer Arbeitnehmer und der Firmenproduktivität auch durch Charakteristika der Unternehmen, beispielsweise ihre Größe, erklärt werden kann. Es kommt nicht nur auf die Eigenschaften der Arbeitnehmer, sondern auch auf die der Unternehmen an, in denen sie beschäftigt sind.