ISSN 1613-8856

Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels

Alles nur Berechnung?

2013 | Jahrgang 10 | 3. Quartal

Keywords: Elterngeld, Gender, Lebensalter, Vaterschaft, Elternzeit, Arbeitsteilung

Autorin der wissenschaftlichen Studie: Heike Trappe

Wenn Väter Elterngeld beantragen, tun sie das womöglich nicht in erster Linie, weil sie mehr Zeit mit ihrem Baby verbringen wollen. Vielmehr spielen ökonomische Abwägungen bei der Entscheidung für oder gegen die Elternzeit des Mannes eine wichtige Rolle. Das berichtet Heike Trappe vom Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels in der Zeitschrift für Soziologie. Erst wenn es um die Frage ginge, wie lange der Partner  eine berufliche Auszeit nehme, kämen auch andere Faktoren vermehrt zum Tragen, schreibt die Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt Familiendemografie. So würden Väter im Schnitt länger Elterngeld beziehen, wenn die Mutter des gemeinsamen Kindes beruflich selbstständig sei oder eine Ausbildung absolviere. Auch eine größere Anzahl von Kindern habe diesen Effekt.  

Ende 2006 hatte die Bundesregierung das sogenannte Erziehungsgeld abgeschafft und durch das Elterngeld ersetzt. Für werdende Eltern hatte die Gesetzesänderung vor allem zwei Dinge zur Folge. Zum einen ist das Elterngeld anders als das Erziehungsgeld an das Einkommen gekoppelt, das in dem Jahr vor der Geburt des Kindes erzielt wurde. Es kann somit zwischen 300 und 1800 Euro monatlich variieren. Zum anderen kann ein Paar nur dann die volle Bezugsdauer von 14 Monaten ausschöpfen, wenn beide Partner mindestens zwei Monate lang Elterngeld beziehen. Stellt nur einer der beiden Partner den Antrag, wird das Geld maximal 12 Monate lang gezahlt. 

Heike Trappe geht in ihrer Studie insbesondere zwei Fragen nach. Erstens untersucht sie, welche Männer überhaupt Elterngeld beantragen. Zweitens beschäftigt sie sich als erste Wissenschaftlerin überhaupt mit der Dauer des väterlichen Elterngeldbezuges und den Faktoren, die diese beeinflussen. Dafür griff sie auf drei verschiedene Datensätze zurück. Im ersten, der den Titel „Junge Familien 2008“ trägt, hat das Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsinstitut (RWI) Essen bundesweit Frauen zu den Themen Elterngeld und Elternzeit befragt. Alle Teilnehmerinnen hatten im ersten Quartal 2007 ein Kind bekommen und lebten mit einem männlichen Partner zusammen. Die beiden anderen Datensätze stammen von den Elterngeldstellen Mecklenburg-Vorpommerns und Schleswig-Holsteins. Deren Daten beziehen sich auf alle Kinder, für die in den Jahren 2007 bis 2009 Elterngeld beantragt wurde.  

Tab. 1: Determinanten eines bewilligten Partnerantrags in Deutschland. Der AME (Average Marginal Effect) bezeichnet den durchschnittlichen Effekt auf die Wahrscheinlichkeit eines solchen Antrags. Ein Beispiel: Wenn Paare in Ostdeutschland leben, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit im Vergleich zu westdeutschen Paaren um 8 Prozentpunkte.  Ein Stern hinter dem AME zeigt an, dass das Ergebnis signifikant ist (10%-Niveau). Stichprobengröße: 1865 Personen. Quellen: Befragung „Junge Familien 2008“, eigene Berechnungen.

Den Angaben der RWI-Erhebung zufolge stellten 34 Prozent der Eltern einen Partnerantrag. Hatte die Frau in dem Jahr vor der Geburt mehr Geld als ihr Mann verdient, erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit des väterlichen Antrags – verglichen mit der Situation, dass beide Partner ein ähnliches Einkommen erzielt hatten – um durchschnittlich 15 Prozentpunkte (s. Tab. 1). Hatte hingegen der Mann mehr verdient, sank die Wahrscheinlichkeit um 8 Prozentpunkte. In Westdeutschland waren beide Effekte stärker ausgeprägt als in Ostdeutschland. Darüber hinaus begünstigte  eine hohe Bildung des Paares oder eine höhere Bildung des Mannes den väterlichen Bezug von Elterngeld. 

Die Daten aus den beiden Bundesländern hätten die Ergebnisse der RWI-Analyse bestätigt, berichtet Trappe (s. Abb. 1). Allerdings habe sich hier ein weiterer Effekt bemerkbar gemacht: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Mann Elterngeld bezieht, ist deutlich höher, wenn die Frau vor der Geburt beruflich selbstständig oder noch in Ausbildung war. „Dies signalisiert eine besondere Unterstützung durch den Mann in diesen Lebenssituationen“, schreibt Trappe. 

Abb. 1: Dauer des Elterngeldbezugs bei Vätern in Paarhaushalten. Quellen: Landesamt für Gesundheit und Soziales, MV; Landesamt für soziale Dienste, SH; eigene Berechnungen.

Schaute sich die Forscherin die Dauer der beruflichen Auszeit an, zeigte sich zunächst, dass mehr als 90 Prozent der Eltern, die einen Partnerantrag gestellt hatten, die maximale Länge von 14 Monaten voll ausschöpften. Dabei entwickelte sich sowohl in Mecklenburg-Vorpommern als auch in Schleswig-Holstein ein sehr einheitliches Muster, bei dem die Frau zwölf Monate und der Mann zwei Monate lang Elterngeld bezieht. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Vater länger als zwei Monate zuhause bleibt, steigt unter anderem mit der Anzahl der Kinder. Gründe hierfür könnten positive Erfahrungen sein, die die Männer beim ersten Kind gemacht hätten, spekuliert Trappe. Womöglich würden die Frauen ihren Partnern bei der Betreuung weiterer Kinder aber auch einfach mehr zutrauen.

Literatur

  • Trappe, H.: Väter mit Elterngeldbezug: Nichts als ökonomisches Kalkül? Zeitschrift für Soziologie 42(2013)1, 28-51.

Aus Ausgabe 2013/3

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