5648 Ja-Worte haben Nadja Milewski vom Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels und ihr Kollege Hill Kulu von der University of Liverpool dafür auf ihre Gültigkeit geprüft. Und das Ergebnis war relativ deutlich: Heirateten zwei Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern, so war das Scheidungsrisiko um 64 Prozent höher als bei Ehen zwischen zwei Partnern gleicher Herkunft (s. Tab. 1, Model I). Sind die binationalen Ehen also gar kein Beleg für eine gelungene Integration? Woran liegt es, dass sich Ehepartner unterschiedlicher Herkunft häufiger trennen? Um diese und weitere Fragen zu beantworten, prüften Nadja Milewski und Hill Kulu viele Eigenschaften der Ehepartner. So konnten sie einerseits kulturelle Unterschiede, etwa in der Religionszugehörigkeit oder beim Rollenverständnis, analysieren. Andererseits konnten sie auch prüfen, ob die Partner in binationalen Ehen generell unterschiedlicher sind, ob sie beispielsweise höhere Alters- oder höhere Bildungsunterschiede haben. Stützen konnten sie sich bei dieser Analyse auf detaillierte Daten aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), die sie für den Zeitraum von 1980 bis 2009 anwendeten.
Relatives Risiko für eine Scheidung
Tab.1: Binationale Ehen zerbrechen häufiger. Das Scheidungsrisiko liegt hier – je nach Modell – um 36 bis 64 Prozent höher als bei Ehen zwischen Partnern gleicher Herkunft. Die Zahlen zeigen an, wie stark das Risiko einer Scheidung gegenüber dem Referenzpunkt (=1) erhöht ist. So hat sich etwa laut Modell I das Risiko für Scheidungen in Deutschland seit den 80ern beinahe vervierfacht. Bei der Berechnung aller Modelle wurden daher der Zeitraum und die Ehedauer berücksichtigt. Quelle: SOEP, eigene Berechnungen.
In dem ersten Modell berücksichtigten die beiden Demografen dabei nur die seit den 80er Jahren allgemein steigenden Scheidungsraten in Deutschland. Eventuelle Verzerrungen durch eine ungleiche zeitliche Verteilung der Ehen haben die Wissenschaftler damit bereinigt.
In dem zweiten Modell werden weitere Faktoren in die Analyse mit einbezogen. Es berücksichtigt, inwieweit sich bestimmte Umstände in den Ehen auf das Scheidungsrisiko auswirken (vgl. Tab. 2): So sinkt das Risiko etwa um die Hälfte, wenn Kinder mit im Haushalt leben. Für die Stabilität einer Ehe ist aber auch von Bedeutung, ob Partner schon vor der Hochzeit zusammengelebt haben. Gerade wenn Ehepartner aus dem Ausland nach Deutschland geholt werden, ist das oft nicht der Fall. Probleme im Zusammenleben, die ansonsten vielleicht schon vor der Hochzeit offenbar geworden wären, zeigen sich dann erst in der Ehe. Bei Ehen zwischen zwei Migranten spielt es darüber hinaus eine Rolle, ob die Hochzeit vor der Einwanderung nach Deutschland stattfand oder nicht. Ist dies der Fall, ist das Risiko einer Trennung nur halb so hoch.
Im dritten Modell prüften die Demografen darüber hinaus, welche Eigenschaften der Ehefrauen das Scheidungsrisiko beeinflussen: Es steigt demnach, wenn die Ehefrau bei der Hochzeit eher jung war, wenn sie einen niedrigen oder gar keinen Bildungsabschluss hat, wenn sie viele Wochenstunden arbeitet, wenn sie keiner Religion angehört und wenn sie in einer großen Stadt aufgewachsen ist. Doch selbst wenn der Einfluss all dieser Faktoren berücksichtigt und herausgerechnet wird, bleibt der Unterschied zwischen den binationalen und nicht binationalen Ehen bestehen (vgl. Tab.2 Modelle II & III).
Relatives Risiko für eine Scheidung
Tab. 2: Das Risiko einer Scheidung hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein Wert über 1 zeigt ein höheres Risiko gegenüber dem Referenzwert (=1) an, ein Wert unter 1 ein entsprechend niedrigeres Risiko. Quelle: SOEP, eigene Berechnungen.
Lediglich wenn auch Daten über den Ehemann in die Analyse mit einbezogen werden, ist der Unterschied mit einem um 36 Prozent erhöhten Scheidungsrisiko bei binationalen Ehen nicht mehr ganz so hoch. Hier berücksichtigten die Demografen im vierten Modell Unterschiede zwischen den Ehepartnern und Eigenschaften des Ehemannes: War er vorher schon verheiratet oder ist er mehr als zwei Jahre jünger als die Ehefrau, ist es mindestens doppelt so wahrscheinlich, dass die Ehe zerbricht. Auch ein geringerer Bildungsstand des Ehemannes und eine andere Religionszugehörigkeit lassen die Wahrscheinlichkeit einer Trennung steigen. Gerade die Religion scheint hier von besonderer Bedeutung zu sein: Das Scheidungsrisiko bei unterschiedlicher Religionszugehörigkeit ist um 60 Prozent höher als bei Partnern mit gleichem Glaubensbekenntnis.
Um die Ehetypen noch genauer unterscheiden zu können, wurden in einem nächsten Schritt auch die Herkunftsländer der Ehepartner so weit als möglich bestimmt (vgl. Abb. 1). Hier zeigt sich, dass Ehen zwischen zwei Migranten aus der Türkei ein besonders niedriges Scheidungsrisiko haben. Auch wenn sich Partner aus dem gleichen Land Süd- und Südosteuropas das Ja-Wort geben, hat das eher Bestand als eine Ehe zwischen Deutschen. Am höchsten ist dagegen das Scheidungsrisiko, wenn ein deutscher Partner auf einen Partner aus Süd- oder Südosteuropa trifft (Modell I & II). Werden jedoch alle verfügbaren Informationen über die Ehe und die Ehepartner in der Analyse berücksichtigt, sind die Ehen zwischen einem deutschen Partner und einem Migranten aus Süd- oder Südosteuropa etwas stabiler als andere binationalen Ehen (Modell III & IV). Eine einzelne Betrachtung von binationalen Ehen zwischen einem Migranten aus der Türkei und einem Einheimischen war aufgrund der geringen Fallzahlen leider nicht möglich.
Ehetypen nach Herkunftsland
Abb. 1: Das Herkunftsland von Migranten hat Einfluss auf das Scheidungsrisiko sowohl von binationalen als auch von
nicht binationalen Ehen. Quelle: SOEP, eigene Berechnungen.
Alle Details zu weiteren Faktoren, die sich auf das Scheidungsrisiko auswirken, ändern aber nichts an der grundlegenden Aussage: Binationale Ehen sind instabiler als nicht binationale. Damit stehen die beiden Demografen in einer Reihe mit anderen Studien, die diesen Zusammenhang aufgezeigt haben. Gleichzeitig widersprechen sie aber auch Hypothesen, die in der Vergangenheit nahe legten, dass das Scheidungsrisiko binationaler Ehen sich an das Level im Einwanderungsland anpassen würde (Adaptions-Hypothese) oder dass das Scheidungsrisiko sich in der Mitte zwischen den Niveaus des Herkunfts- und des Einwanderungslandes einpendeln würde (Konvergenz-Hypothese).
Das heißt jedoch nicht, so betonen die Autoren der Studie, dass binationale Ehen auch in Zukunft immer instabiler bleiben müssen. Oft sind es heute schon Migranten der 2. Generation, die heiraten. Diese sind in der Regel besser integriert als die eingewanderte Elterngeneration, die kulturellen Unterschiede zwischen den Ehepartnern sind dadurch geringer und zumeist gab es bei diesen Ehen vor der Hochzeit eine Möglichkeit, das Zusammenleben zu proben. Eventuell verfügen solche Ehepaare auch über ein besseres soziales Netzwerk und werden weniger oft diskriminiert.