ISSN 1613-8856

Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB)

Mehr Kinder von Akademikerinnen

2014 | Jahrgang 11 | 4. Quartal

Keywords: Familienpolitik, Elterngeld, Elternzeit, nachgeholte Geburten, Einkommen

Mitautor der wissenschaftlichen Studie: Martin Bujard

Die Sozialwissenschaftler vom Wiesbadener Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung haben für ihre Studie zum einen untersucht, wie sich das Einkommen von Familien vor und nach der Elterngeldreform entwickelt hat. Zum anderen haben sie Effekte auf die Geburtenentwicklung analysiert. Die Daten über Bildung, Geburten und Einkommen der Mütter konnten Martin Bujard und seine Kollegin Jasmin Passet-Wittig den Mikrozensen der Jahre 2003 bis 2010 sowie dem Soziooekonomischen Panel (SOEP) entnehmen. Anhand der Mikrozensus-Daten konnten sie zeigen, wie sich die Geburtenrate bei verschiedenen Frauenjahrgängen und Bildungsgruppen entwickelt hat. Mit den Panel-Daten ließ sich darüber hinaus berechnen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich Mütter verschiedenen Alters und Bildungsgrades nach einem ersten Kind noch für ein zweites entscheiden. 

Abb. 1:  Das Elterngeld hat vor allem bei hoch qualifizierten Frauen zu einem starken Anstieg des Einkommens im ersten Jahr nach der Geburt geführt. Die Einteilung der Bildungsabschlüsse wurde nach der International Standard Classification of Education (ISCED) vorgenommen Quelle: Mikrozensen 2006-2008, eigene Berechnungen.

Das erste Ziel des Elterngeldgesetzes wurde demnach erreicht: Das Einkommen von Familien mit einem Baby ist von 2006 bis 2008 durchschnittlich um über 100 Euro pro Kopf gestiegen. Hinter dem Durchschnittswert aber verbergen sich erhebliche Unterschiede, die durch die einkommensabhängige Höhe des Elterngeldes bedingt sind: Während sich das Einkommen von Müttern mit Haupt-, Real-, oder Gymnasialabschluss nur geringfügig ändert, steigt es bei Müttern mit Hochschulreife und Lehre im Schnitt um 86 Euro monatlich, bei Müttern mit Hochschulabschluss um 236 Euro und bei Müttern mit Promotion gar um 965 Euro (s. Abb.1). Dem sprunghaften Anstieg des Einkommens im ersten Jahr nach der Geburt des Kindes steht ein nur allmählicher Einkommenszuwachs der Kleinkindhaushalte gegenüber, in denen das jüngste Kind ein bis drei Jahre alt ist. Auch hier hat es zwar in den vergangenen Jahren eine positive Einkommensentwicklung gegeben, weil viele Mütter wieder früher und länger zur Arbeit gehen. Doch im Gegensatz zu Ostdeutschland sind die Einkommen von Haushalten mit ein- bis zweijährigem Kind im Westen seit 2008 im Schnitt niedriger als im ersten Jahr nach der Geburt, in dem Elterngeld gezahlt wurde. 

Ein weiterer Effekt der einkommensabhängigen Gestaltung des Elterngeldes ist neben dem Vorteil für hoch qualifizierte Mütter auch ein Vorteil für ältere Mütter. Stehen sie doch schon häufiger fest im Berufsleben und haben ein dementsprechendes Einkommen. Auch die Elterngeldstatistik für Kinder, die im 3. Quartal 2011 geboren wurden, weist im Schnitt 444 Euro für 20- bis 24-Jährige aus, 632 Euro für 24-29-Jährige und 800 Euro für über 30-Jährige.

Abb. 2:  Allein bei den älteren Akademikerinnen (ISCED5A und 6; 35-39 Jahre & 40-44 Jahre) lässt sich ein eindeutiger Anstieg der Geburtenzahlen nach 2007 feststellen. Quelle: Mikrozensen 2003-2011, eigene Berechnungen.

Weil das Elterngeld damit eine eher späte Mutterschaft belohnt, sei es wahrscheinlich, so die Autoren, dass durch die Reform der ohnehin existente Trend zur späten Geburt noch verstärkt wird (s. Abb. 2). Und diese Einschätzung lässt sich durch Ereignisanalysen mit SOEP-Daten untermauern: Nach der Elterngeldreform hat sich die Wahrscheinlichkeit für ein zweites Kind in der Altersgruppe der 36- bis 45-Jährigen deutlich erhöht. Die Wahrscheinlichkeit bei allen Müttern ändert sich dadurch aber kaum, da nur ein kleiner Teil der Frauen in diesem späten Alter Kinder bekommen – vor allem Akademikerinnen. 

Bujard und Passet-Wittig zeigen damit, dass es keinen unmittelbaren Effekt des Elterngeldes auf die Gesamtfertilität gibt. Allerdings können die beiden Wissenschaftler dank der detaillierten Daten zu den Bildungsabschlüssen und dem Alter der Mütter eine andere wichtige Entwicklung aufzeigen: Bei Akademikerinnen stieg die geschätzte Geburtenrate von 1,26 Kindern für die Jahre 2000 bis 2006 über 1,37 Kinder für die Jahre 2008-2010 auf 1,41 Kinder im Jahr 2011. Die Kinderzahl von Akademikerinnen hat also um 0,15 Kinder zugenommen – eine für deutsche Verhältnisse geradezu rasante Entwicklung, die zeitlich mit der Einführung des Elterngeldes und dem Kita-Ausbau zusammenfällt. In allen anderen Bildungsgruppen ließ sich dagegen keine ähnliche Entwicklung ausmachen. 

Damit haben die Akademikerinnen die mittlere Bildungsschicht (Lehre und/oder Hochschulreife) bei den Kinderzahlen eingeholt – nachdem sie lange die geringsten Geburtenraten hatten. 

Literatur

  • Bujard, M. und J. Passet: Wirkungen des Elterngelds auf Einkommen und Fertilität. Zeitschrift für Familienforschung 25(2013)2, 212-237.

Aus Ausgabe 2014/4

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